Bremerhaven. . Russland hat nach Angaben von Umweltschutzgruppen die Schaffung von zwei riesigen Meeresschutzgebieten in der Antarktis blockiert. 24 Staaten und die Europäische Union hatten in Bremerhaven vier Tage über das Projekt beraten. Umweltschützer beklagen, eine einmalige Gelegenheit sei verpasst worden.

Wissenschaftler nennen es „das letzte Meer“, weil der Mensch hier bisher kaum Spuren hinterlassen hat. Die Gebiete rund um die Antarktis gehören zu den letzten und größten unberührten Lebensräumen der Erde und beherbergen mehr als 10 000 Tierarten sowie seltene Lebensgemeinschaften.

Hier liegt die Kinderstube des Krill, jener kleinen Meereskrebse, von denen sich zahlreiche Lebewesen ernähren, auch die riesigen Blauwale. Pinguine leben nur dort, sowie Robben, Delfine, Tintenfische und Albatrosse. Meeresbiologen sind fasziniert vom Leben am Meeresboden, das in Vielfalt und Schönheit mit tropischen Korallenriffen vergleichbar sei.

Ein Abkommen, diese einzigartige Lebenswelt unter internationalen Schutz zu stellen, ist am Dienstag gescheitert.

Enttäuschende Verhandlung

Vertreter von 24 Staaten und der Europäischen Union haben vier Tage lang darüber beraten, das größte Meeresschutzgebiet der Welt im antarktischen Ozean einzurichten. Es sollte insgesamt 3,8 Millionen Quadratkilometer umfassen – eine Fläche fast so groß wie die Europäische Union.

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Von Christopher Onkelbach

Am Ende gingen die Delegierten ohne Ergebnis auseinander, „ich habe noch nie so enttäuschende Verhandlungen erlebt“, sagte Greenpeace-Meeresexpertin Iris Menn anschließend. Grund für das Scheitern sei vor allem die Haltung Russlands gewesen, meint sie.

Bereits vor einem Jahr waren die Bemühungen der „Kommission zum Schutz lebender Meeresschätze in der Antarktis“ (CCAMLR) am Widerstand einzelner Länder gescheitert. Abseits ihrer jährlichen Treffen kam die Kommission daher nun zu einer Sondersitzung in Bremerhaven zusammen, um einen Durchbruch zu erzielen. „Wenn es jetzt nicht klappt, wird dies eine große Blamage“, meinten Beobachter im Vorfeld. Die ist nun offenbar eingetreten.

Fischen verboten

Im Rossmeer und in der Ostantarktis sollte das Fischen, das bislang dort erlaubt ist, beschränkt oder gänzlich verboten werden. Das unberührte Seegebiet sollte zudem als „natürliches Laboratorium“ für die Erforschung des Klimawandels und die Lebenswelt der Tiere erhalten werden.

Das Ökosystem am Südpol ist wegen der extremen Umweltbedingungen äußerst sensibel. Über die Jahrtausende haben sich ganz spezielle Lebensgemeinschaften herausgebildet, wegen der Kälte laufen alle Entwicklungsprozesse äußerst langsam ab, selbst kleine menschliche Eingriffe könne daher schwere Folgen haben.

Die USA und Neuseeland hatten vorgeschlagen, das Rossmeer unter Schutz zu stellen. Australien, die EU und Frankreich brachten Zonen entlang der Küste in der Ostantarktis ins Gespräch. Doch wieder war es ein zähes Ringen, vier Tage und Nächte lang.

„Noch kurz vor Schluss äußerten die Ukraine und Russland grundsätzliche Zwei­fel daran, ob die Kommission juristisch überhaupt autorisiert sei, solche Schutzgebiete auszusprechen“, berichtet Martin Möller, Sprecher der „Antarctic Ocean Alliance“ (AOA), einem Zusammenschluss von rund 30 Umweltorganisationen.

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Zunächst sollten rechtliche und wissenschaftliche Fragen geklärt werden. An dieser Forderung zerschellte schließlich ein Kompromiss, obwohl diese Probleme bereits vorab geklärt worden seien, wie das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), Gastgeber der Konferenz, erklärte.

Dabei hat sich die internationale Schutzgemeinschaft darauf geeinigt, bis 2020 zehn Prozent der Küsten- und Meeresgewässer als Schutzgebiete auszuweisen. Bisher sind es nur zwei Prozent. Die neuen Schutzzonen hätten der Fläche nur ein weiteres Prozent hinzugefügt. „Die Region gehört zu den letzten Naturreservaten der Erde“, sagte Peter Bleser vom Bundeslandwirtschaftsministerium zu Beginn der Sitzung. Die Kommission habe jetzt die Chance, Geschichte zu schreiben.

Zwei Lager

Doch zwei Lager standen sich weiterhin unversöhnlich gegenüber. Auf der einen Seite jene Staaten, die für den Schutz waren: die USA Neuseeland, die Europäer und Australien. Auf der Bremse standen vor allem Russland, die Ukraine, Norwegen und Japan. Diese Länder haben wirtschaftliche Interessen in dem Seegebiet.

Norwegen und auch Japan wollen weiterhin Jagd auf Wale und Fische machen. Norwegische Schiffe fangen in dem Gebiet zudem große Mengen Krill für die Zucht von Lachsen in heimischen Aquakulturen. Russland wird unterstellt, sich die Option offen halten zu wollen, in Zukunft die dort vermuteten Bodenschätze ausbeuten zu können.

Im kommenden Jahr wollen die beteiligten Staaten einen neuen Anlauf nehmen – Ende offen.