Istanbul/Damaskus. Nachdem Syriens Regime ein UN-Team zu Gesprächen über Chemiewaffen-Vorwürfe eingeladen hat, finden Soldaten solch geächtete Substanzen angeblich bei Rebellen. Die Opposition ist empört und spricht von “ekelhaften Anschuldigungen vonseiten eines Regimes, das seit Jahrzehnten Chemiewaffen besitzt“.

Syriens Regime geht im Großraum Damaskus massiv gegen die Rebellen vor. Aktivisten berichten täglich von heftigem Beschuss der Oppositionshochburgen im Umland. Während der Militäroffensive wollen Streitkräfte von Präsident Baschar al-Assad nun eine Chemiewaffenanlage der Rebellen entdeckt haben, wie die staatliche Nachrichtenagentur Sana am Montag meldete. Der Fund kommt unmittelbar vor geplanten Gesprächen mit UN-Vertretern über Chemiewaffen-Vorwürfe gegen das Regime. Die Opposition wies die Anschuldigungen scharf zurück.

Sana meldete, Assad-Soldaten hätten ein Labor und ein Lager in einem Versteck der "Terroristen" nahe Dschobar östlich von Damaskus entdeckt. Dort sei unter anderem auch Chlorgas sichergestellt worden. Die Chemikalien seien im Ausland produziert worden - unter anderem in Saudi-Arabien. Die Agentur verbreitete auch Bilder von dem angeblichen Fund.

Vereinte Nationen wollen Chemiewaffen-Kontrolleure nach Syrien schicken

Das führende Mitglied der oppositionellen Nationalen Koalition, George Sabra, reagierte empört. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er, dies seien "ekelhafte Anschuldigungen vonseiten eines Regimes, das seit Jahrzehnten Chemiewaffen besitzt". Er betonte: "Die ganze Welt weiß das. Das Regime hat die Waffen in der Vergangenheit gegen das syrische Volk eingesetzt und tut das auch heute." Die Vorwürfe gegen die Opposition seien von einer Regierung erfunden, die die grausamsten Mittel einsetze, um die Menschen im Land zu töten.

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Die Vereinten Nationen wollen seit Monaten ein Team nach Syrien schicken, um Vorwürfe zu prüfen, dass weltweit geächtete Chemiewaffen in dem Land eingesetzt wurden. Das Assad-Regime hatte jedoch lange den Zutritt ins Land verwehrt. In der vergangenen Woche erklärte sich das Regime in Damaskus schließlich bereit, mit UN-Vertretern über eine solche Untersuchung zu sprechen. Sie werden in dieser Woche in der Hauptstadt erwartet. Die USA ist davon überzeugt, dass das Regime bereits Chemiewaffen eingesetzt hat.

Schon 100.000 Tote im Aufstand gegen Assad

Im ganzen Land dauerten die Kämpfe derweil an. In der Protesthochburg Homs ging die Armee weiter gegen Rebellen vor. Gefechte und Bombardierungen gab es außerdem in Idlib, Aleppo, Daraa, Deir as-Saur und Hasaka.

Ein Rebellenkommandeur äußerte sich besorgt über den wachsenden Einfluss radikal-islamistischer Kampftruppen. Der Kommandeur der Freien Syrischen Armee (FSA) in Daraa, Abu Dija al-Hurani, beklagte im dpa-Gespräch, wegen unzureichender wirtschaftlicher Mittel der FSA liefen zahlreiche Kämpfer zu islamistischen Gruppen über. "Die Islamisten bieten unseren Kämpfern einen Sold, Essen und moderne Waffen." Er betonte: "Da können wir nicht mithalten."

Der Aufstand gegen Assad in Syrien hat nach UN-Angaben seit seinem Beginn im März 2011 mehr als 100 000 Menschen das Leben gekostet. (dpa)