Berlin. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause arbeitet der Bundesrat am Freitag ein umfangreiches Programm ab. Bei uns bekommen Sie eine Übersicht der wichtigsten Entscheidungen. Dazu gehören die Hilfe für Flutopfer, die Suche nach einem Atommüll-Endlager und die Ausweitung des Ehegatten-Splitting auf Homo-Paare.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am Freitag die ersten Gesetze beschlossen. Fast 40 Vorhaben stehen auf der Tagesordnung der letzten Sitzung vor der Sommerpause. Einige der Vorlagen der schwarz-gelben Regierung wurden von Länderkammer vorerst aber auch gestoppt.

Die wichtigsten Entscheidungen im Überblick:

Ehegatten-Splitting auf Homo-Paare ausgeweitet

Gleichgeschlechtliche Lebenspartner profitieren im Steuerrecht in Zukunft von den gleichen Vorteilen wie Ehepartner. Der Bundesrat stimmte für die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften beim Steuer-Splitting. Die Neuregelung gilt rückwirkend ab dem Jahr 2001.

Mit der nun beschlossenen Änderung des Einkommensteuerrechts kam der Bundesrat einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts nach. Die Karlsruher Richter hatten Anfang Juni die bisherige Regelung, die homosexuelle Paare im Vergleich zu Ehepaaren steuerlich benachteiligt, für ungültig erklärt. Der Bundestag stimmte der Neuregelung bereits in der vergangenen Woche zu.

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Die rückwirkende Geltung der Steuer-Gleichstellung wird nach Schätzung der Bundesregierung etwa 150 Millionen Euro kosten. Die jährlichen Mindereinnahmen an Steuern werden für die kommenden Jahre auf etwa 55 Millionen Euro geschätzt.

Mit der Mehrheit der von SPD, Grünen und Linkspartei regierten Länder stimmte der Bundesrat außerdem für eine komplette Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften - etwa auch im Adoptionsrecht. "Wir brauchen jetzt eine Gleichstellung in allen Lebensbereichen", forderte die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) in der Länderkammer.

Den Gegnern der Gleichstellung in den Reihen der Union warf sie ein "verstaubtes Weltbild" vor. Im Bundestag gibt es für einen solch weitgehenden Schritt derzeit aber keine Mehrheit.

Neue Atommüll-Endlagersuche perfekt 

Nach über 35 Jahren Konzentration auf den Salzstock Gorleben wird nach einem Atommüll-Endlager in Zukunft deutschlandweit gesucht. Der Bundesrat machte endgültig den Weg frei für ein Standortauswahlgesetz, mit dem Alternativen zu Gorleben geprüft werden sollen.

Eine 33-köpfige Bund/Länder-Kommission soll bis Ende 2015 Grundlagen und Kriterien für die Suche empfehlen. Ende 2031 soll der Endlagerstandort bestimmt und von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Die Kosten der Suche werden auf über zwei Milliarden Euro geschätzt und müssen von den Energiekonzernen getragen werden. „Das ist wahrlich ein historischer Akt“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Grünes Licht für Fluthilfe-Fonds 

Die Fluthilfe von bis zu acht Milliarden Euro ist endgültig beschlossen. Nach dem Bundestag machte auch der Bundesrat den Weg für das Aufbauhilfegesetz frei. Der Hilfsfonds von Bund und Ländern kann damit starten. Zudem soll beim Hochwasserschutz in Zukunft schneller geplant und gebaut werden.

Der Bund streckt die acht Milliarden Euro Fluthilfe vor und macht dafür neue Schulden. Die Länder haben 20 Jahre Zeit, ihren Anteil von gut drei Milliarden Euro abzuzahlen. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sprach von einem guten Zeichen der Solidarität nach der Flutkatastrophe. Das extreme Hochwasser im Juni hatte in mehreren Bundesländern gewaltige Schäden angerichtet.

Unternehmen werden entlastet, die wegen des Hochwassers Kurzarbeit beantragen. Der Bund übernimmt dann in voller Höhe die Beiträge zur Sozialversicherung für die von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten. Die Übernahme gilt für längstens drei Monate von Juni bis Dezember 2013. Auch müssen Firmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit nicht die üblichen Fristen zur Stellung eines Insolvenzantrages einhalten.

Punktereform kann zum 1. Mai 2014 in Kraft treten 

Die Reform des Punktesystems für Verkehrssünder ist endgültig beschlossene Sache. Anstelle der jetzigen Skala von 1 bis 7 Punkten gibt es demnach künftig je nach Schwere des Vergehens 1, 2 oder 3 Punkte. Der Führerschein wird dann bei 8 statt 18 Punkten entzogen.

Anders als ursprünglich geplant, bleibt eine Möglichkeit erhalten, über freiwillige Schulungen einen Punkt innerhalb von fünf Jahren abzubauen. Gespeicherte Punkte sollen künftig jeweils separat verjähren. In Kraft treten sollen die Neuregelungen zum 1. Mai 2014.

Gesetz gegen Krankenkassen als Schuldenfalle beschlossen 

Säumige Krankenversicherte müssen in Zukunft keine Wucherzinsen mehr bezahlen. Menschen ohne Krankenversicherung sollen zudem leichter in eine Krankenkasse zurückkehren können. Der Bundesrat ließ ein entsprechendes Gesetz passieren.

Für gesetzlich Versicherte soll bei Beitragsschulden künftig ein Säumniszuschlag in Höhe von monatlich einem statt wie bisher fünf Prozent gelten. Bisherige Schulden aus dem erhöhten Säumniszuschlag sollen erlassen werden.

Wer nicht versichert ist und sich bis 31. Dezember bei einer Kasse meldet, dem sollen die Beitragsschulden erlassen werden. Sie fallen bisher für den Zeitraum zwischen Beginn der Versicherungspflicht 2007 und der Meldung bei der Kasse an. Wer sich erst nach dem Stichtag meldet, soll eine Ermäßigung bekommen.

Neuer Notlagentarif für Privatversicherte

Beitragsschuldner in der privaten Krankenversicherung sollen nach einem Mahnverfahren in einen neuen Notlagentarif überführt werden. Niedrigere Prämien sollen sie vor Überforderung schützen.

Nach jüngsten Zahlen gab es 2011 rund 137.000 Nichtversicherte, vor allem Kleinselbstständige, Existenzgründer, Obdachlose. Hunderttausende Menschen sollen Beitragsschulden haben. Zuletzt verlangten die Kassen noch Ausstände von gut 870 Millionen Euro. Weitere Schulden von 1,27 Milliarden Euro versuchen sie wohl mangels Erfolgsaussichten nicht mehr einzutreiben.

Autobesitzer können Kennzeichen bald bundesweit mitnehmen 

Autobesitzer dürfen ihr Kennzeichen bei Umzügen bald in ganz Deutschland mitnehmen. Der Bundesrat billigte eine Neuregelung, wonach die Pflicht zur "Umkennzeichnung" beim Wechsel in einen anderen Zulassungsbezirk am 1. Januar 2015 entfällt. Innerhalb einiger Länder gilt diese Praxis schon.

An den Tarifen der Kfz-Versicherung ändert sich nichts, für sie bleibt der Wohnort entscheidend. Zudem sollen Fahrzeuge voraussichtlich ab Anfang 2015 beim Kraftfahrt-Bundesamt online abgemeldet werden können. Ermöglicht werden soll dies über neue Sicherheitscodes auf den Prüfplaketten des Nummernschilds und im Fahrzeugschein sowie den neuen Personalausweis.

Manipulation bei Organvergabe kann besser bestraft werden 

Knapp ein Jahr nach dem Auffliegen des Skandals bei der Organvergabe sollen schwere Betrügereien künftig einfacher bestraft werden können. Mit der vom Bundesrat gebilligten Änderung des Transplantationsgesetzes werden für falsche Angaben zu den Patienten, die auf ein Organ warten, Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen fällig.

Zudem müssen die einschlägigen Richtlinien der Bundesärztekammer zum Thema künftig vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden.

Kliniken bekommen 1,1 Milliarden Euro mehr 

Deutschlands teils klamme Krankenhäuser bekommen vom 1. August an eine Finanzspritze von 1,1 Milliarden Euro. Der Bundesrat ließ ein entsprechendes Gesetz passieren. Ein zunächst einprozentiger Zuschlag soll auf die Pauschalen kommen, die die Kliniken für ihre Leistungen erhalten.

Dazu kommt mehr Geld zum Ausgleich von Tarifsteigerungen sowie für mehr Personal zugunsten von mehr Hygiene in den Kliniken. Gegen Antibiotika resistente Keime sollen eingedämmt werden. Die Ausgaben der Krankenkassen für die Kliniken steigen laut Kassen-Spitzenverband damit allein 2013 auf einen Rekordwert von schätzungsweise 64,7 Milliarden Euro.

Verstümmelung weiblicher Genitalien wird härter bestraft 

Die Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen wird in Deutschland in Zukunft mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft. Der Bundesrat billigte die Einführung eines eigenen Straftatbestands. Bislang wurde die Verstümmelung weiblicher Genitalien lediglich als schwere Körperverletzung mit einer Haft von maximal zehn Jahren geahndet.

Bei dem weltweit in mehr als 30 Ländern praktizierten Ritual wird die Klitoris teilweise oder vollständig entfernt. Die Genitalverstümmelung ist vor allem in Ländern Afrikas, im Süden der arabischen Halbinsel und in Teilen Asiens verbreitet. Der Gesetzgeber

Bundesrat macht Weg für Drei-Prozent-Hürde bei Europawahl frei 

Für den Einzug ins Europaparlament müssen Parteien in Deutschland künftig nur noch eine Drei-Prozent-Hürde überwinden. Die bisherige Sperrklausel von fünf Prozent entfällt damit schon bei der kommenden Europawahl. Für die Neuregelung machte der Bundesrat den Weg frei.

Sie war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde bei Europawahlen gekippt hatte. Die Richter sahen dadurch die Chancengleichheit der Parteien gegenüber denen in anderen EU-Ländern verletzt. Aber auch gegen die neue Drei-Prozent-Hürde wird in Karlsruhe bereits geklagt.

Mütter können Kind unter Pseudonym zur Welt bringen 

Frauen können in Zukunft ihr Kind unter einem Pseudonym zur Welt bringen. Die Neuregelung sieht vor, dass das vertraulich geborene Kind in der Regel zur Adoption freigegeben wird. Mit Vollendung des 16. Lebensjahres hat es allerdings das Recht, die Identität seiner Mutter zu erfahren. Dafür werden deren Daten beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Daten aufbewahrt.

Mit der Möglichkeit der vertraulichen Geburt will die Bundesregierung eine Alternative zu den umstrittenen Babyklappen schaffen, die eine vollkommen anonyme Geburt ermöglichen. Die Kosten für die vertraulichen Geburten übernimmt der Bund. Wie die vertrauliche Geburt sollen auch die Babyklappen nach drei Jahren noch einmal einer Prüfung unterzogen werden.

Neuer Vorstoß für doppelte Staatsbürgerschaften 

Die von SPD und Grünen geführten Länder haben einen neuen Anlauf für doppelte Staatsbürgerschaften gestartet. Die Länderkammer votierte für eine Gesetzesinitiative mehrerer Länder, in denen SPD, Grüne und Linke regieren. Sie wollen doppelte Staatsbürgerschaften in Deutschland generell zulassen und das sogenannte Optionsmodell abschaffen.

Bislang werden in Deutschland geborene Kinder von Ausländern zwar zu Deutschen und behalten zunächst die Staatsangehörigkeit der Eltern. Zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr müssen sie aber eine ihrer Staatsangehörigkeiten aufgeben. Betroffen sind vor allem junge Türken. Lediglich Menschen aus bestimmten Ländern wie EU-Staaten oder Brasilien haben bisher die Möglichkeit auf einen Doppelpass.

Die Bundesländer wollen ihren Vorstoß nun ins Parlament einbringen. Aussicht auf Erfolg hat die Initiative dort vorerst nicht. Denn im Bundestag haben Union und FDP die Mehrheit. Mehrere Oppositionsanträge für den Doppelpass waren dort gescheitert. Die Initiatoren der Gesetzespläne hoffen aber auf den nächsten Bundestag. "Der sieht sicher etwas anders aus", sagte Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD).

Gesetz für weniger Antibiotika-Einsatz in Tiermast gebilligt 

Rund anderthalb Jahre nach dem Skandal um Antibiotika in der Massentierhaltung soll ein neues Arzneimittelgesetz die Vergabe des Medikamentes verringern. Der Bundesrat billigte am Freitag die Novelle, mit der unter anderem die Befugnisse der Veterinärbehörden ausgeweitet werden. Auch der Einsatz von Antibiotika wird umfassend dokumentiert und bis auf einzelne Betriebe nachvollziehbar. Kommendes Jahr tritt das Gesetz in Kraft.

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Kern der Novelle ist die Ermittlung des durchschnittlichen Antibiotika-Verbrauchs aller Mäster. Von den Betrieben, die deutlich mehr Medikamente einsetzen als das Gros der Branche, sollen Behörden künftig Verbesserungspläne einfordern können. In extremen Fällen sollen die landwirtschaftlichen Betriebe auch geschlossen werden.

Der Antibiotika-Skandal war durch Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen ans Licht gekommen. Demnach werden neun von zehn Masthähnchen mit antibakteriellen Substanzen behandelt. 2011 wurden 1700 Tonnen Antibiotika in der Tiermast verabreicht

Gesetz für mehr Bahn-Wettbewerb ist gescheitert 

Mehr Wettbewerb auf der Schiene? Nein. Der Bundesrat hat sich dagegen entschieden. Nachdem es im Vermittlungsausschuss keine Verständigung gab, fand das vom Bundestag beschlossene Gesetz am Freitag in der Länderkammer keine Mehrheit.

Vorgesehen war, dass Gebühren, die die bundeseigene Deutsche Bahn als Betreiber des Gleisnetzes von Bahnunternehmen erhebt, vorab von der Bundesnetzagentur genehmigt werden sollten. Auf Bahnhöfen sollten Bahn-Konkurrenten einen Anspruch auf Flächen zum Fahrscheinverkauf bekommen. Im deutschen Bahnverkehr gibt es derzeit etwa 350 Mitbewerber der DB, weit überwiegend im Güter- und Regionalverkehr.

Schärfere Eigenkapital- und Bonus-Regeln für Banken 

Schärfere Vorgaben bei Managerboni und Eigenkapital europäischer Banken gelten künftig auch in Deutschland. Mit dem Gesetzespaket werden nicht nur Bonuszahlungen eingedämmt. Umgesetzt werden auch die „Basel III“ genannten strengeren Anforderungen an das Eigenkapital von Banken in Europa. Sie gelten ab 2014.

Geregelt wird zudem die Haftung ländergestützter „Bad Banks“ für faule Kredite ehemaliger Landesbanken. Die Länder hatten durchgesetzt, dass sie bei Banken-Abwicklungsanstalten die gleichen Bedingungen erhalten wie der Bund. So können sie unter anderem bei Refinanzierungskosten sparen.

Gesetz zu europäischem Fiskalpakt zugestimmt 

Der europäische Fiskalvertrag für mehr Haushaltsdisziplin kann in Deutschland in Kraft treten. Der Bundesrat verabschiedete die Vorlage am Freitag in Berlin einstimmig und machte damit den Weg frei für dessen Umsetzung in nationales Recht. Der Verabschiedung im Bundesrat waren mehrmonatige Verhandlungen zwischen Bund und Ländern vorangegangen.

Die Länder bekommen jetzt im Gegenzug für die Zustimmung weitere finanzielle Hilfen vom Bund. Der Kompromiss sieht vor, dass der Bund den Ländern bis 2019 jährlich 2,6 Milliarden Euro Zuschüsse für Infrastruktur-, Wohnungs- und Hochschulbauprojektezahlt. Diese Zusage sei für die Länder „von größter Bedeutung“ gewesen, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Bundesrat. Dadurch sei die „finanzielle Stabilität der Länder gewährleistet“.

Der Fiskalvertrag verpflichtet die Unterzeichnerstaaten auf strikte nationale Schuldenregeln. Demnach darf das strukturelle Defizit - also bereinigt um Einmaleffekte und Konjunktureinflüsse - 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen. Deutschland erfüllt diese Bedingung bereits.

Gebühren für Gerichtsverfahren steigen 

Der Gang vor Gericht wird teurer: Der Bundesrat billigte eine Anhebung verschiedener Gerichtsgebühren. Diese hängen vom Streitwert eines Verfahrens ab und müssen zunächst vom Kläger bezahlt werden, letztlich trägt sie die unterliegende Prozesspartei. Es geht dabei auch um die Honorare für Rechtsanwälte, Notare, Sachverständige und Dolmetscher, die seit Jahren und zum Teil seit Jahrzehnten nicht erhöht wurden.

Zugleich wurden die ursprünglich geplanten Einschränkungen bei der Prozesskostenhilfe weitgehend gestoppt. Die Prozesskostenhilfe ist eine finanzielle Unterstützung für einkommensschwache Menschen, die vor Gericht ziehen. Anfänglich war vorgesehen gewesen, die Freibeträge zu senken, oberhalb derer die gewährten Hilfen zumindest teilweise zurückgezahlt werden müssen. Das entfällt jedoch größtenteils. (afp,rtr,dpa)