Berlin/Straßburg. . Experten aus Deutschland und Innenminster Friedrich wollen in der kommenden Woche zu Gesprächen über die Ausspäh-Aktionen der US-Geheimdienste in die USA reisen. FDP fordert den sofortigen Stopp der automatischen Datenübermittlung bis die Vorwürfe geklärt sind.

Nach den massenhaften Ausspähaktionen von US-Geheimdiensten wächst in Deutschland und der EU die Sorge, dass amerikanische Sicherheitsbehörden auch regulär übermittelte Daten von EU-Bürgern missbrauchen könnten. Das Europäische Parlament forderte am Donnerstag die EU-Staaten auf, notfalls die Vereinbarungen mit den USA zur Übermittlung von Fluggast- oder Bankdaten zu stoppen, bis die Ausspäh-Vorwürfe aufgeklärt sind.

Während die Bundesregierung einen solchen Schritt bislang nicht erwägt, macht die FDP in der Koalition Druck. Sie forderte gestern, den Stopp aller anlasslosen Datenübermittlungen an die USA zu prüfen. „Es muss sichergestellt sein, dass die Fluggast- oder Bankdaten nicht mit den ausgespähten Geheimdienstdaten zu höchst detaillierten Persönlichkeitsprofilen von Millionen unbescholtenen Menschen zusammengefügt werden“, warnte FDP-Innenexpertin Gisela Piltz. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) müsse sich für internationale Garantien einsetzen. SPD-Innenexperte Michael Hartmann sagte, ein solcher Daten-Stopp sei „eine ernste Option“. Washington müsse wissen, dass dann für die Übermittlung etwa von Fluggastdaten die Geschäftsgrundlage entfallen sei.

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FDP-Vize Christian Lindner forderte eine sofortige Unterbrechung des automatischen Datenaustauschs mit den USA: Dies sei „erst wieder sinnvoll, wenn es ein gemeinsames Verständnis von bürgerlichen Freiheiten gibt.“ Ähnlich hatte sich auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin geäußert. Das EU-Parlament verlangte auch den Stopp aller US-Spähprogramme.

Die Forderung nach zügigen Konsequenzen steht aber im Gegensatz zur Linie der Bundesregierung, die zunächst eine Konfrontation mit Washington meidet. Am Mittwochabend hatte Kanzlerin Angela Merkel telefonisch mit US-Präsident Barack Obama über den Datenskandal gesprochen. Merkel begrüßte die Zusicherung Obamas, den europäischen Partnern Informationen über die Aktivitäten der US-Dienste zur Verfügung zu stellen. Kommende Woche fliegt zunächst eine Delegation von Beamten mehrerer Ministerien und der deutschen Nachrichtendienste nach Washington, dann reist auch Innenminister Friedrich in die USA.

Der Freihandel als Faustpfand?

Zudem wird eine Arbeitsgruppe von Geheimdienstexperten der EU und der USA am Montag in Washington Beratungen aufnehmen – parallel zum Start der Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen. Die Drohungen auch aus der Bundesregierung, dieses Abkommen vorerst nicht zu verhandeln, sind damit vom Tisch.

SPD und Grüne warnten Merkel, sich von Obama mit Beruhigungsformeln abspeisen zu lassen. „Die eigentlichen Vorwürfe sind überhaupt nicht aufgeklärt“, klagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. Sein SPD-Kollege Thomas Oppermann sagte, statt nur „Unterabteilungsleiter nach Washington zu schicken“, müsse sich die Kanzlerin persönlich einschalten, er beklagte auch eine „gravierende Schutzlücke“ bei der Spionageabwehr durch den Bundesverfassungsschutz.