Kairo. . Der Tahrir-Platz in Kairo ist für Frauen mehr als gefährlich. Immer wieder werden Demonstrantinnen aus der Masse der Gegner des ägyptischen Regierungschefs Mohammed Mursi gezogen. Sie werden misshandelt und brutal vergewaltigt. Die Täter kommen ungestraft davon.
Für Frauen ist der Tahrir-Platz zum Ort des Entsetzens geworden. Bereits bei den Protesten in der Vergangenheit wurden immer wieder Demonstrantinnen aus der Menge gezerrt und brutal vergewaltigt, meist von einer ganzen Horde Männer. Oppositionelle vermuten dahinter eine perfide Einschüchterungsstrategie, um Frauen wieder aus der Öffentlichkeit zurückzudrängen.
Angriffe mit Ketten und Messern
Und die Gewalt geht weiter: Bei den Megaprotesten in den vergangenen drei Tagen wurden nach Auskunft von „Human Rights Watch“ und lokaler Selbsthilfegruppen mindestens 91 Frauen vergewaltigt oder sexuell belästigt. Allein am vergangenen Sonntag zählte die Initiative „Operation Anti-Sexual Harassment“ (OpAntiSH) 46 Übergriffe, die höchste Ziffer seit Gründung der Organisation im November letzten Jahres. Am Montag kam es zu weiteren 17 Attacken, am Dienstag waren es 23. Eine zweite Selbsthilfegruppe dokumentierte fünf weitere Verbrechen. Die Aktivisten von OpAntiSH patrouillieren über den Tahrir-Platz und verfügen über eine Notwohnung, in die sie Opfer in Sicherheit bringen können. Die Täter haben keine Strafen zu befürchten, Polizei lässt sich auf dem Tahrir-Platz schon seit Monaten nicht mehr blicken.
Auch interessant
Die meisten Opfer waren Ägypterinnen, darunter auch mehrere Großmütter sowie Mütter, die mit ihren Kleinkindern unterwegs waren. Einige der Frauen wurden mit Metallrohren und Eisenketten verprügelt oder mit Messern angegriffen. Eine Frau wurde 45 Minuten lang misshandelt, bis Retter sie schließlich aus den Händen ihrer Peiniger befreien konnten. Unter den Opfern befindet sich auch eine 22-jährige niederländische Mitarbeiterin einer ägyptischen Hilfsorganisation, die von fünf Männern vergewaltigt und schwer verletzt wurde. Sie musste in Kairo notoperiert werden und wurde nach Angaben der niederländischen Botschaft in ihre Heimat zurückgeflogen.
In Banden organisiert
Die Täter, die in Banden organisiert sind, gehen immer nach dem gleichen Muster vor. Sie umringen ihr Opfer, trennen es von seinen männlichen Begleitern, reißen der Frau die Kleider vom Leib und machen sich über sie her. Augenzeugen, die einschreiten wollen, werden zusammengeschlagen oder wüst beschimpft. In der Vergangenheit hatten erzkonservative Kleriker aus dem islamistischen Lager mehrfach den angegriffenen Frauen die Schuld gegeben. Nach der Scharia sei ihnen nicht erlaubt, sich unter Männer zu mischen, erklärten sie. Frauen hätten auf dem Tahrir-Platz nichts zu suchen.
„Dies sind schwere Verbrechen, die Frauen daran hindern sollen, in einer so kritischen Phase voll an dem öffentlichen Leben ihres Landes zu partizipieren“, kritisierte Joe Stork, Vize-Direktor von „Human Rights Watch“ für den Nahen Osten. Er forderte die Regierung und alle politischen Parteien in Kairo auf, die Übergriffe zu verurteilen und endlich wirkungsvoll gegen „dieses horrende Ausmaß sexueller Gewalt auf dem Tahrir-Platz“ vorzugehen.