Kairo. Das Ultimatum der Armee in Ägypten ist am Mittwoch abgelaufen. Staatschef Mohammed Mursi lehnte seinen Rücktritt erneut ab. Am Abend verkündete die Armee, Mursi sei entmachtet. Zehntausende demonstrieren in den Straßen von Kairo. Armeeführung und Opposition kündigen “Fahrplan“ zu Neuwahlen an.

Kurz nach Ablauf eines Ultimatums der ägyptischen Streitkräfte gegen Präsident Mohammed Mursi hat ein Staatstreich begonnen. Das teilte der Sicherheitsberater von Mursi am Mittwoch mit. Es sei zu befürchten, dass Armee und Polizei nun gewaltsam gegen Anhänger des Präsidenten vorgingen.

Mursi lehnte Rücktritt erneut ab

Das Ultimatum der Armee war um 17 Uhr abgelaufen, ohne dass sich ein Ausweg abzeichnete. Mursi hatte erneut einen Rücktritt abgelehnt. Zugleich wiederholte er am Mittwochnachmittag sein Angebot der Bildung einer umfassenden Koalitionsregierung. Diese solle alle politischen Kräfte und insbesondere die Jugendbewegung einschließen, hieß es in einer Erklärung, die auf der offiziellen Facebook-Seite Mursis gepostet wurde. Diese Regierung könne vorgezogene Parlamentswahlen vorbereiten und Verfassungsänderungen ausarbeiten. Millionen Ägypter hatten zuletzt den Rücktritt Mursis gefordert, der aus der islamistischen Muslimbruderschaft kommt.

Die Ereignisse des Tages in der Chronik:

22:44 Uhr: Ägyptens Salafistenpartei Al-Nur hat die Entscheidung des Militärs zur Entmachtung von Präsident Mohammed Mursi verteidigt. Die staatliche Zeitung "Al-Ahram" zitierte den Generalsekretär der Partei am Mittwoch mit den Worten: "Wir hatten einen Punkt erreicht, an dem ein Bürgerkrieg drohte." Viele Versuche einer Einigung seien zuvor gescheitert.

22:26 Uhr: Ägyptens entmachteter Präsident Mohammed Mursi wehrt sich gegen seine Absetzung durch das Militär. Auf einer der offiziellen Twitterseiten des Staatsoberhauptes hieß es am Mittwochabend, es handele sich hierbei um einen "Putsch". Dieses Vorgehen werde von allen freien Menschen, die für ein ziviles, demokratisches Ägypten gekämpft hätten, abgelehnt. Zugleich rief er die Ägypter auf, friedlich zu bleiben und Blutvergießen zu vermeiden.

21:57 Uhr: Lauter Jubel, Feuerwerksraketen, Autokorsos: Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo sind im Freudentaumel. Den ganzen Tag über haben Zehntausende auf die erlösende Nachricht gewartet, die am Abend von Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi verkündet wurde. Die Armee hat den ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi nach nur einem Jahr aus dem Amt gejagt. Damit hat die Protestbewegung ihr Ziel erreicht.

21:54 Uhr: Unmittelbar nach der vom Militär verkündeten Entmachtung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi sind auch Fernsehsender der Islamisten offenbar abgeschaltet worden. Beim Sender "Misr25" der Muslimbruderschaft wurde die Ausstrahlung schlagartig unterbrochen, berichteten Augenzeugen am Mittwoch. Auch der Islamistensender "Al-Hafes" und der Salafistensender "Al-Nas" seien betroffen, berichtete die staatliche Zeitung "Al-Ahram" in ihrer Online-Ausgabe.

Mursi ruft Anhänger zu friedlichem Widerstand auf

21:33 Uhr: Nach seiner Absetzung durch die Armee hat Ägyptens entmachteter Staatschef Mohammed Mursi seine Anhänger zum friedlichen Widerstand aufgerufen. Mursi rufe dazu auf, friedlich gegen den "Putsch" aufzubegehren, sagte ein enger Vertrauter Mursis am Mittwochabend der Nachrichtenagentur AFP.

21:18 Uhr: In Ägypten soll nach Angaben des Militärs der Präsident des obersten Verfassungsgerichts vorläufig die Geschicke des Landes lenken. Das sagte Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi in einer Fernsehansprache. Er kündigte zudem neue Präsidentschaftswahlen an. Damit ist Präsident Mohammed Mursi entmachtet.

21:13 Uhr: Eilmeldung der Agentur dpa: Mursi ist nicht mehr Präsident. Ägypten wird nun kommissarisch vom Verfassungsgerichtspräsidenten geführt.

21:06 Uhr: Vertreter politischer und religiöser Gruppierungen und Parteien in Ägypten haben eine mehrstündige Krisensitzung mit der Armeeführung beendet. Über die Ergebnisse werde die Öffentlichkeit in Kürze informiert, teilte der Militärsprecher Ahmed Ali auf seiner Facebook-Seite mit. Das Ende des Treffens wurde auch von den zivilen Teilnehmern bestätigt. Diese würden in Kürze zusammen mit führenden Militärs den Fahrplan für die Lösung der Krise bekanntgeben, auf den man sich bei dem Treffen geeinigt habe. Teilnehmer waren auch Oppositionsführer wie der Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei, Vertreter der Protestbewegung "Tamarud", der Großscheich der Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tajjib, und der koptisch-orthodoxe Papst Tawadros II.

Ägyptens Präsident Mursi ist offenbar abgesetzt 

20:57 Uhr: Die staatlich kontrollierte Zeitung Al-Ahram zitiert eine Person aus dem Umfeld des Präsidenten mit den Worten, die Armee habe Mursi um 18.00 Uhr Ortszeit mitgeteilt, dass er nicht mehr länger Präsident sei.

20:54 Uhr: Nach Angaben des staatlichen Fernsehens werden Oppositionssprecher Mohammed ElBaradei sowie führende Vertreter der Geistlichkeit noch am heutigen den Fahrplan für einen Übergang in Ägypten vorstellen. Der Plan sieht den Angaben zufolge eine kurze Übergangsfrist bis zu Neuwahlen vor.

20:45 Uhr: Bundes-Außenminister Guido Westerwelle hat sich besorgt über die Entwicklung in Ägypten geäußert. "Wir appellieren an alle Beteiligten, den Weg in Richtung Demokratie fortzusetzen, auf Gewalt zu verzichten und auf Dialog zu setzen", sagte Westerwelle am Mittwochabend nach Gesprächen mit seinem griechischen Amtskollegen Evangelos Venizelos in Athen.

Ausreiseverbot für Mursi bestätigt

20:32 Uhr: Der politische Fahrplan des Militärs sieht nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur vor, dass nach einer kurzen Übergangsphase Präsidenten- und Parlamentswahlen stattfinden sollen. Der Plan soll in Kürze von Vertretern der Religionsgruppen sowie Oppositionsführer Mohamed ElBaradei präsentiert werden.

20:19 Uhr: Vertreter des Flughafens in der Hauptstadt Kairo bestätigten der Nachrichtenagentur AFP, es gebe eine Anordnung, Mursi und führende Muslimbrüder, darunter ihren Obersten Führer Mohammed Badie und seinen Stellvertreter Chairat al-Tschater, an Auslandsreisen zu hindern. Den Muslimbrüdern wird vorgeworfen, den Gefängnisausbruch von mehr als 30 Gefolgsleuten mithilfe der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah-Miliz organisiert zu haben.

20:04 Uhr: Aus Militärkreisen verlautet nach Angaben der ägyptischen Nachrichtenagentur Mena, es gebe ein massives Truppenaufgebot in den Vierteln Nasr City, Heliopolis und in der Nähe der Universität von Kairo.

Armee will Gewaltakte verhindern

19:43 Uhr: Ägyptische Behörden haben nach offiziell unbestätigten Angaben aus Kreisen des Flughafens in Kairo ein Ausreiseverbot gegen Präsident Mohammed Mursi verhängt. Das betrifft angeblich auch führende Mitglieder der Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt. Dazu gehörten der Chef der Bewegung Mohammed Badia und Funktionär Chairat Schater.

19:26 Uhr: Die staatliche Zeitung "Al-Ahram" berichtete, die Panzer seien ausgefahren, "um in den nächsten Stunden Gewaltakte zu verhindern, die die nationale Sicherheit bedrohen könnten".

19.12 Uhr: Soldaten riegeln mit Barrieren und Stacheldraht Kaserne ab, in der sich Mursi aufhält. Panzer und Soldaten beziehen nahe einer Demonstration von Mursi-Anhängern in Kairo Stellung.

19.06 Uhr: Die Bundesregierung sieht die Entwicklung in Ägypten "mit allergrößter Sorge". Das Auswärtige Amt rät von Reisen nach Kairo und Alexandria ab.

Mursi-Berater wirft Armee Militärputsch vor 

18.30 Uhr: Der außenpolitische Berater Mursis hat der Armee einen Putsch gegen die Regierung vorgeworfen und vor erheblichem Blutvergießen gewarnt. "Lassen Sie uns das, was geschieht, bei seinem richtigen Namen nennen: Militärputsch", hieß es in einer Facebookmitteilung von Essam al-Haddad. Hunderttausende Ägypter hätten sich zur Unterstützung der Demokratie und der Präsidentschaft versammelt und würden nicht weichen, teilte al-Haddad weiter mit. "Um sie wegzubewegen, wird Gewalt nötig sein." In jedem Falle werde es "beträchtliches Blutvergießen" geben, warnte er.

18.18 Uhr: Hunderte Soldaten sind nahe des Präsidentenpalasts zu einer Militärparade aufmarschiert. Fünf gepanzerte Fahrzeugen waren zu sehen.

18.07 Uhr: Mursi arbeitet nach Angaben eines Beraters in einer Kaserne der Republikanischen Garden weiterhin als Präsident. Er habe die Ägypter zum gewaltfreien Widerstand aufgerufen. In Sicherheitskreisen hieß es, gegen Mursi und Mitglieder der Muslimbruderschaft sei ein Reiseverbot verhängt worden.

17.41 Uhr: Nach den Worten des Sicherheitsberaters von Präsident Mursi ist der Militärputsch angelaufen.

Militär-Ultimatum abgelaufen

17.00 Uhr: Das Ultimatum der Armee für eine Lösung im Machtkampf ist abgelaufen, ohne dass sich ein Ausweg abzeichnet. Auf dem Tahrir-Platz haben sich Hunderttausende Menschen versammelt, die Fahnen schwenken.

16.59 Uhr: Das Präsidialamt bekräftigt kurz vor Ablauf eines Ultimatums der Armee die Bereitschaft, eine Koalitionsregierung zu bilden. Der Schritt solle dabei helfen, die Staatskrise zu überwinden.

15.55 Uhr: Die Militärführung bestätigt ein Treffen mit Vertretern der politischen Parteien sowie verschiedener Religionsgemeinschaften. Das Gespräch dauere noch an, teilte die Armee weiter mit.

14.43 Uhr: Die Armee hat sich keinen festen Termin für eine Erklärung oder Ansprache gegeben. Dies teilte das Militär auf seiner Facebook-Seite mit.

Mursi entschlossen notfalls im Kampf für Demokratie zu sterben

14.32 Uhr: Vor dem Gebäude des ägyptischen Staatsfernsehens fahren nach Angaben aus Sicherheitskreisen gepanzerte Fahrzeuge vor. Mitarbeiter, die nicht an der Produktion von Live-Sendungen beteiligt sind, haben ihre Arbeitsplätze verlassen.

14.25 Uhr: Mursi ist nach den Worten seines Sprechers entschlossen, notfalls im Kampf für die Demokratie zu sterben. Der Präsident wolle nicht von der Geschichte verurteilt werden.

14.10 Uhr: Die radikal-islamische Gruppe Al-Gamaa al-Islamija hat ihre Anhänger zur Gewaltlosigkeit aufgerufen. Die Bewegung unterstützt Mursi.

13.36 Uhr: Der saudiarabische Großmufti ruft die Ägypter zur Zusammenarbeit und zur Vermeidung schwerer Auseinandersetzungen auf. Scheich Abdulasis Al al-Scheich ist der oberste Geistliche in Saudi-Arabien, der Geburtsstätte des Islam. (dpa/rtr/afp)