Zagreb. Kroatien feiert seine EU-Mitgliedschaft. Punkt Mitternacht wurde die Europaflagge gehisst. Doch in die Freude mischen sich Sorgen und Zweifel, denn Kroatien ist wirtschaftlich angeschlagen. Viele ungelöste Probleme warten. Europäische Politiker mahnen weitere Reformen an.
Seit Mitternacht ist Kroatien das 28. Mitglied der EU. Europäische Politiker gratulierten der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik, warnten aber, dass die EU-Mitgliedschaft allein nicht die Probleme des Landes lösen könne. Zusammen mit Tausenden Kroaten feierten am Sonntagabend 170 internationale Vertreter, darunter die Spitzen der EU-Kommission, des Europaparlaments sowie zahlreiche Staats- und Regierungschefs der Nachbarländer den EU-Beitritt des kleinen Adrialandes. Zum Abschluss der Feiern wurde in der Hauptstadt Zagreb ein Feuerwerk abgebrannt.
Kroatien sei nun an seinen "rechtmäßigen Platz" im Herzen Europas zurückgekehrt, so EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei der zentralen Feier in Zagreb. Kroatien sei gut vorbereitet, habe wichtige Reformen unternommen und sei ein Beispiel für andere Staaten in der Region. "Ihr seid immer Europäer gewesen", sagte EU-Ratspräsident Herman van Rompuy. Kroatiens Beitritt sei ein "Meilenstein" und wichtiger Vorreiter für die Region. Kroatien habe Institutionen geschaffen, die auf Demokratie, Versöhnung und Rechtsstaatlichkeit beruhen, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Im westlichen Balkan der noch vor zwei Jahrzehnten durch Krieg erschüttert wurde, trage die EU zu Frieden und Wandel bei. Der Beitrag Kroatiens zum gemeinsamen Projekt Europa werde alle bereichern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht viel Reformbedarf
"Solche Momente gibt es nicht oft für eine Nation", sagte Staatspräsident Ivo Josipovic bei einem Abendessen für die Gäste und versprach, die EU-Mitgliedsbestrebungen anderer Staaten auf dem Westbalkan zu unterstützen. Sein Land habe eine neue Verantwortung, die Staaten der Region unterstützen, Europäische Kriterien zu erfüllen, so auch Ministerpräsident Zoran Milanovic.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die nicht nach Zagreb reiste, sieht noch viel Reformbedarf. "Gerade im Bereich der Rechtssicherheit und der Korruptionsbekämpfung sind noch viele weitere Schritte zu gehen", sagte Merkel in einem Podcast. Der EU-Beitritt sei kein Schlusspunkt, "sondern Ansporn für weitere Reformschritte", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) der "Rheinischen Post".
Sozialsysteme drohen zusammenzubrechen
Das wirtschaftlich angeschlagene Kroatien betrete kein sinkendes Schiff, sagte Milanovic in Hinblick auf Krisen in der EU. Er sei überzeugt, das "Glas ist halb voll und nicht halb leer", so Milanovic während des offiziellen Abendessens. Unter den Gästen beim offiziellen Countdown waren auch alle kroatischen Präsidenten und Regierungschefs seit der Unabhängigkeit vor 22 Jahren - mit Ausnahme von Ex-Premier Ivo Sanader. Dieser sitzt derzeit eine zehnjährige Haftstrafe wegen Korruption ab.
Kroatien ist nach Slowenien das zweite EU-Mitgliedsland aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die frühere jugoslawische Republik, die seit 1991 selbstständig ist, bringt große Probleme mit. Die Wirtschaft ist schwer angeschlagen, die Industrie liegt am Boden, die Sozialsysteme drohen zusammenzubrechen und die öffentliche Verwaltung muss modernisiert werden. (dpa)