Düsseldorf. Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf, den die Sparkassen erarbeitet haben, fast wortgleich übernommen. So wurden die zwei Sparkassenverbände in NRW von der Fusionspflicht befreit, Millionen-Einsparungen nicht verwirklicht. Auch die Expertenanhörung im Landtag riecht stark nach Einflussnahme.

NRW bleibt das einzige Bundesland, das sich zwei Sparkassenverbände leistet.

Am 10. Juli will der Landtag die Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen-Lippe per Gesetz von der bisher geltenden Fusionspflicht befreien. Dass die Landesregierung im Gesetzentwurf fast wörtlich Formulierungsvorschläge der Sparkassenverbände übernimmt, hat im Landtag den Verdacht des Lobbyismus geweckt. Verteidigen die Sparkassen mit Hilfe der Politik ihre Besitzstände oder nutzt die Politik lediglich den Sachverstand der Banker?

Fusionspläne sind vom Tisch

In der Pharmaindustrie, bei Alkohol, Tabak, Autos und Waffen ist der Einfluss der Lobbygruppen legendär. Im Sparkassensektor sind politische Mandatsträger nicht selten auch in Aufsichtsfunktionen bei örtlichen Geldinstituten aktiv. Der Finanzexperte der Piraten-Fraktion, Dietmar Schulz, war deshalb nicht überrascht, dass 17 der 21 Experten bei der Anhörung zum neuen Sparkassengesetz im Finanzausschuss des Landtags direkt von Sparkassenverbänden entsandt wurden.

Noch 2009 hatten die Sparkassenverbände Westfalen-Lippe und Rheinland einer Fusion zugestimmt, um dem Willen des Gesetzgebers nach millionenschweren Einsparungen zu folgen. Vier Jahre später sind die Pläne vom Tisch: Übrig bleibt als Sparziel die Fusion der beiden Sparkassen-Akademien in Münster und Düsseldorf mit rund 90 Mitarbeitern. Ein Sieg der Lobbyisten?

Finanzministerium wehrt sich

Das NRW-Finanzministerium wehrt sich gegen den Verdacht, dass die Sparkassen der Politik beim Gesetz die Hand geführt hätten. Vielmehr habe das Ministerium den Sparkassen konkrete Prüfaufträge für eine Fusion der Akademien erteilt, die „nach den Vorstellungen des Landes umgesetzt wurden“. Ende 2012 hatte SPD-Finanzexperte Martin Börschel erklärt, dass „man beispielsweise die Sparkassenakademien fusionieren könnte“.

Die Sparkassenverbände begründen die Formulierungsvorschläge mit ihrem gesetzlichen Beratungsauftrag. Der rheinische Sparkassenpräsident Michael Breuer sprach von einem „völlig normalen Vorgang“. Am Ende könne das Land „auch anders entscheiden“. Börschel, Chefkontrolleur der Kölner Sparkasse, hielt einen „Austausch im Vorfeld“ für normal. FDP-Experte Ralf Witzel stellte leicht resigniert fest, dass nach dem Gesetzentwurf „auch weiter nichts passiert“.

Es bleibt bei zwei Präsidenten

Die Sparkassenverbände rechtfertigten die späte Ablehnung der Fusion mit einer gründlichen Prüfung, wonach ein Verband größere Haftungsrisiken, aber mit nur einer Stimme weniger Einfluss auf Bundesebene gehabt hätte. Dagegen bedauerte der CDU-Abgeordnete Marcus Optendrenk, dass Millionen Euro Einsparung durch eine Fusion erzielt worden wären.

Nach der „Formulierungshilfe“ für die Landesregierung bleiben die Sparkassenverbände in Rheinland und Westfalen-Lippe selbstständig – und deren Präsidenten Rolf Gerlach und Michael Breuer im Amt. Für FDP-Landeschef Christian Lindner ein Sieg des Lobbyismus. „Es ist scheinheilig, wenn Rot-Grün den Lobbyismus überall kritisiert und sich jetzt selbst bei den Sparkassen bedient.“

Lobbycontrol kritisiert die Bundesregierung 

Die regierungsunabhängige Organisation Lobbycontrol stellt Schwarz-Gelb ein miserables Zeugnis aus. Die Bundesregierung habe im Kampf gegen den Einfluss von Lobbygruppen auf die Politik versagt. Seit 2009 habe sie fast alle Fortschritte blockiert. Nur bei den Nebeneinkünfte von Abgeordneten habe es Verbesserungen gegeben, erklärte der Verband bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Dies war vor allem eine Folge der Debatte um die Honorare von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

„Von einer vollständigen Transparenz sind die neuen Regeln aber noch weit entfernt“, so Lobbycontrol. Völligen Stillstand stellte die Gruppe in vier weiteren Handlungsfeldern: Hier geht es um den Wechsel von Politikern zu Unternehmen, um die Transparenz von Lobbyeinflüssen auf politische Entscheidungen, um die Parteienfinanzierung und um Abgeordnetenkorruption: „Unter Schwarz-Gelb hatten Lobbyisten freie Fahrt“, resümiert Autorin Christina Deckwirth.

Kritischer „Seitenwechsel“

Auch „Seitenwechsel“ zwischen Politik und Wirtschaft sieht Lobbycontrol kritisch und fordert eine dreijährige Wartezeit. Ein Beispiel dafür sei Kanzleramts-Staatsminister Eckart von Klaeden, der im Herbst als Cheflobbyist zu Daimler wechselt. Die Mövenpickspende an die FDP und die folgende Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers gilt als „Musterbeispiel“ für Klientelpolitik.

Als besonders groß gilt der politische Einfluss der Lebensmittel- und Pharmaindustrie. Auch Internetkonzerne bringen ihr Gewicht ein, etwa bei der Neuordnung von Datenschutzregeln. Neben Stromkonzernen betreiben auch Umweltgruppen wie Greenpeace Lobbyarbeit. „Lobbyismus an sich ist nicht schlimm“, sagt Lobbycontrol-Experte Timo Lange. „Schwierig wird es, wenn politische Entscheidungen zulasten der Allgemeinheit getroffen werden.“ Strengere Regeln und mehr Transparenz seine daher nötig. (CHO)