Erdogan hält an umstrittenen Bauvorhaben in Istanbul fest
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Istanbul. . Eskalation der Gewalt in Istanbul: Mit Wasserwerfern und Tränengas haben türkische Sicherheitskräfte am Dienstag den Taksim-Platz gestürmt und geräumt. Regierungschef Erdogan sprach vom Ende der „Toleranz“ – ein verwirrendes Signal für die Gespräche, die am Mittwoch geplant sind.
Zwölf Tage lang blieb die türkische Polizei am Istanbuler Taksim-Platz, dem Ausgangspunkt und Zentrum der Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung, auf Distanz. Am Dienstagmorgen trat sie wieder in Aktion – nachdem Ministerpräsident Tayyip Erdogan tags zuvor gewarnt hatte, seine Geduld habe Grenzen.
Mit Wasserwerfern, gepanzerten Fahrzeugen und reichlich Tränengas eroberten starke Polizeikräfte den besetzten Taksim-Platz zurück. Mit Baggern räumten die Einsatzkräfte Barrikaden ab, die Demonstranten in den Tagen zuvor aus Baumaterialien, zurückgelassenen Absperrgittern und umgestürzten Autos, darunter vielen demolierten Polizeifahrzeugen, errichtet hatten.
Rufschädigung mit Plakaten
Der Istanbuler Gouverneur Hüseyin Avni Mutlu erklärte, Ziel der Räumung des Platzes sei es, Plakate und Spruchbänder „legaler und illegaler Organisationen“ zu entfernen, die von der Öffentlichkeit als störend empfunden würden und für das Bild der Türkei im Ausland schädlich seien. Demonstranten hatten in den vergangenen Tagen große Poster an der Fassade des Atatürk-Kulturzentrums angebracht sowie das Denkmal der Republik auf dem Platz mit Spruchbändern drapiert.
Bei dem Polizeieinsatz seien einige Personen verletzt worden, aber nur leicht, sagte Mutlu. Der Gouverneur unterstrich, der Einsatz richte sich nicht gegen das Protestcamp im angrenzenden Gezi-Park, wo friedliche Aktivisten in Zelten ausharren. Dennoch berichteten Augenzeugen, Polizisten seien mit Tränengas und Pfefferspray zeitweilig auch in den Park vorgestoßen. Die Protestbewegung will sich nicht geschlagen geben: Gleich für den Abend rief sie zu einer friedlichen Kundgebung in den Park.
Erdogan will mit Demonstranten sprechen
Der türkische Premier Tayyip Erdogan gibt sich gesprächsbereit und kompromisslos zugleich. Am Mittwoch will sich der Regierungschef zwar mit Vertretern der Protestbewegung treffen, „um die Demonstrationen zu beenden“, wie Vizepremier Bülent Arinc sagte. Die umstrittenen Bauprojekte auf dem Taksim-Platz, an denen sich die Proteste entzündeten, will Erdogan aber unbeirrt umsetzen. Vergiftet wird das Klima außerdem durch Erdogans verbale Tiraden. Er hatte die Demonstranten wiederholt als „Anarchisten“, „Gesindel“, „Plünderer“ und „Terroristen“ bezeichnet.
Taksim-Platz in Istanbul geräumt
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Nach dem Einsatz am Taksim-Platz dankte Erdogan am Dienstag der Polizeiführung. In einer Rede vor der Parlamentsfraktion seiner islamisch-konservativen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) bekräftigte der Premier, die Umgestaltung des Stadtviertels um den Platz, wo der Gezi-Park der Rekonstruktion einer Armeekaserne aus ottomanischer Zeit und das Atatürk-Kulturzentrum einer Moschee weichen sollen, werde wie geplant durchgezogen.
Die Regierung wähnt Spekulanten im Hintergrund
Erdogan warf Geschäftsleuten und Medien vor, Chaos zu schüren. Die Demonstranten seien „Marionetten von Finanzspekulanten“, die auf höhere Zinsen und größere Gewinne aus seien. „So etwas werden wir nicht dulden, damit ist jetzt Schluss“, rief Erdogan und versicherte unter großem Beifall seiner Abgeordneten: „Dieser Tayyip wird sich nicht ändern.“
Bereits zuvor hatte Erdogan eine „Zins-Lobby“ als Drahtzieher der Proteste gegeißelt und gedroht, er werde Börsenspekulanten „die Kehle zudrücken“. Während angesichts der Konfrontation in der Türkei viele Anleger kalte Füße bekommen, abzulesen am Kurssturz der Istanbuler Börse und der Landeswährung Lira, versucht die Zentralbank jetzt gegenzusteuern. Mit einer Straffung ihrer bisher lockeren Geldpolitik will sie die Lira stützen. Die Lira reagierte am Dienstag mit Kursgewinnen auf diese Ankündigung.
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