Berlin. . Das Spitzenpersonal für die Bundestagswahl hatte die Grünen-Basis per Mitgliederentscheid gekürt. Jetzt bestimmen rund 60.000 Parteimitglieder auch darüber mit, welche zentralen Themen im Wahlkampf-Schlussspurt ganz oben stehen sollen. Bis Mittwoch soll die Hitliste ausgezählt sein.
Immerhin Cem Özdemir springt für den Lebensraum des Laubfroschs in die Bresche. „Wir wollen im nächsten Bundestag auch die parlamentarische Vertretung der Frösche sein“, verkündet der Grünen-Chef per Video- Schalte. Doch vermutlich werden sich die kleinen Hüpfer gedulden müssen. Denn die grüne Basis, jedenfalls in Berlin, wirbt für andere Projekte als die Froschlurch-Offensive.
Gut 60.000 Grüne konnten am Wochenende über die zentralen Punkte im Wahlprogramm abstimmen und neun davon als besonders wichtig auswählen. Sie reichen von mehr Europa über die Energiewende, mehr ALG II, höhere Steuern für Reiche oder Lohngleichheit bis hin zur neuen Drogenpolitik und der Laubfrosch-Hilfe.
Am Mittwoch wollen die Grünen die Ergebnisse des Mitgliederentscheids bekannt geben. Dann zeigt sich, welche neun Schlüsselvorhaben sie im Falle einer Regierungsübernahme zuerst in Angriff nehmen wollen.
Lange Liste der wichtigen Themen
Wenn das so einfach wäre. „Alle Projekte sind extrem wichtig“, findet Michael Schäfer, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus. Aber das Wichtigste sei die Energiewende. Sie sei „fast schon eine Pflichtaufgabe“, meint auch die grüne Landeschefin Bettina Jarasch. „Das ist ein Projekt, das wir uns nicht abkaufen lassen dürfen“, fordert sie die etwa 200 Grünen in der Halle der Berliner Ufer-Studios auf, ein Kreuz für die Energiewende in ihrer Themen-Hitliste zu machen.
Dürftiger Zuspruch kommt zu den Steuerplänen. Also macht es Spitzenkandidat Jürgen Trittin selbst. Eine „riesige Mehrheit“ der Bevölkerung finde es richtig, dass 90 Prozent entlastet und höhere Einkommen sowie Vermögende belastet würden, sagt Trittin und spricht von einem „Riesenaufriss“, der darum gemacht werde.
Die Vermögensabgabe will keine andere Partei
Sven-Christian Kindler, Haushälter im Bundestag, legt per Video-Schalte für die Vermögensabgabe nach: Sie sei ein Alleinstellungsmerkmal der Grünen, somit ein Schlüsselprojekt. Zudem müsse man etwas tun gegen die Spaltung der Gesellschaft. Verhaltener Applaus in den Ufer-Studios.
Die Zurückhaltung verwundert nicht. Seitdem die Grünen im April höhere Abgaben für Besserverdienende beschlossen haben, stehen sie unter Beschuss. In den Umfragen hat ihnen das zwar kaum geschadet. Derzeit stehen sie bei 13 Prozent, doch der Rechtfertigungsdruck ist hoch. Zusätzlich in die Defensive geraten ist die Partei durch die Pädophilie-Vorwürfe, die sie nun aufarbeiten will.
Gegen Massentierhaltung, für Tempo 30
Mit dem Mitgliederentscheid möchten die Grünen in die Offensive kommen und wieder selbst Themen setzen. Womöglich mit dem Verbot der Massentierhaltung. „Was in unseren Ställen stattfindet, ist nicht mehr hinnehmbar“, findet Marie-Luise Thierauf, Grünen-Mitglied aus Bayern, mit Blick auf den Antibiotika-Einsatz. Sie rechnet vor, dass während ihrer achtminütigen Rede allein acht Rinder in Deutschland geschlachtet wurden. Das zieht. „Ein Kreuz hab ich schon mal ganz dick gemacht“, meint die Berliner Grüne Astrid Schneider und wirbt dann für den Kohleausstieg.
Henning Bublitz wiederum kämpft als Radfahrer für Tempo 30 und einen besseren öffentlichen Personennahverkehr, während Sandra Hildebrandt auf gleiche Rechte für schwule und lesbische Paare pocht. Anschließend stimmen die Grünen ab. Welche Projekte wohl dabei sind? Die Energiewende sicher, meinen viele. Die Berliner befürworteten wohl den Nahverkehrsausbau, vermutet ein Mitglied. Im Westen würden sie eher auf starke Kommunen setzen, schätzt ein anderer. So oder so: „Es wird in diesem Wahlkampf knüppelhart werden“, meint Trittin.