Brüssel. Harte Worte: EU-Kommissar Günther Oettinger bezeichnet Europa als “Sanierungsfall“. Brüssel habe das wahr Ausmaß micht erkannt, Länder wie Bulgarien, Rumänien und Italien seien im Prinzip unregierbar, Frankreich drücke sich vor notwendigen Reformen, Deutschland setze falsche Prioritäten.

EU-Kommissar Günther Oettinger hat einem Medienbericht zufolge die Europäische Union als Sanierungsfall bezeichnet. Nach einem vorab veröffentlichten Bericht der "Bild-Zeitung" äußerte sich Oettinger in einer Rede vor der Deutsch-Belgisch-Luxemburgischen Handelskammer zudem sehr besorgt über die Lage in Frankreich und anderen EU-Ländern.

"Europa ist ein Sanierungsfall", zitierte das Blatt Oettinger. "Mir macht Sorge, dass derzeit zu viele in Europa noch immer glauben, alles werde gut." Brüssel habe "die wahre schlechte Lage noch immer nicht genügend erkannt". Statt die Wirtschafts- und Schuldenkrise zu bekämpfen, zelebriere Europa "Gutmenschentum" und führe sich als "Erziehungsanstalt" für den Rest der Welt auf.

Cameron und seine englische Tea-Party

Auch die Lage in einigen EU-Mitgliedsländern sei besorgniserregend. "Mir machen Länder Sorgen, die im Grunde genommen kaum regierbar sind: Bulgarien, Rumänien, Italien", zitierte die Zeitung Oettinger. Dazu komme, dass in vielen Ländern EU-kritische Bewegungen stärker würden. In Großbritannien regiere Premier Cameron mit einer "unsäglichen Hinterbank, seiner englischen Tea-Party".

Besorgt äußerte sich Oettinger dem Blatt zufolge auch zur wirtschaftlichen Lage Frankreichs. Das Land sei "null vorbereitet, auf das, was notwendig ist", sagte der deutsche EU-Kommissar laut Zeitung. Frankreich brauche eine Agenda 2010 "mit Rentenreform, was in Wahrheit Rentenkürzung heißt, längere Lebensarbeitszeit, Staatsquote runter". Frankreich habe eine Staatsquote von 57 Prozent, die Zahl der Staatsdiener sei doppelt so hoch wie im EU-Schnitt. Aber es gebe "keinen Mittelstand und wenig Innovation".

Deutschland verspielt seine Wirtschaftskraft

Heftige Kritik übte Oettinger der Zeitung zufolge an der Situation in Deutschland. "Deutschland ist auf dem Höhepunkt seiner ökonomischen Leistungskraft. Stärker wird Deutschland nicht mehr." Das habe auch mit der Tatsache zu tun, dass in Berlin "mit Betreuungsgeld, Frauenquote, Mindestlohn und Nein zum Fracking die falsche Tagesordnung" bearbeitet werde. Dadurch drohe "ein Teil dessen, was an Wettbewerbsfähigkeit und Agenda 2010 im Zuge der letzten Jahre erreicht worden ist", wieder preisgegeben zu werden. (rtr)