Washington. Die Associated Press, eine der größten Nachrichtenagenturen der Welt, wirft dem US-Justizministerium eine heimliche Abhöraktion vor. Das deckte AP selbst in einem offenen Brief auf - und vermutet einen Zusammenhang mit einer unliebsamen Berichterstattung über eine CIA-Aktion im Jemen.
Was Adam Goldman und Matt Apuzzo am 7. Mai vergangenen Jahres meldeten, gehört im amerikanischen Journalismus in die Kategorie „scoop“ - exklusive Enthüllung. Die beiden Rechercheure der Nachrichtenagentur „Associated Press“ (AP) berichteten darüber, wie das Terrornetzwerk El Kaida rund um den ersten Todestag von Osama bin Laden mittels eines Passagierflugzeugs einen Bombenanschlag auf die USA verüben wollten - und wie der Auslandsgeheimdienst CIA den Plan vereitelte. Ein Jahr später stellt sich heraus: Die Journalisten und etliche ihrer Kollegen waren bei ihrer Arbeit nicht allein.
Das Justizministerium in Washington hat zwei Monate lang heimlich die Verbindungsdaten von über 20 Telefonanschlüssen von AP-Büros und Redakteuren abgehört. Chefredakteurin Kathleen Carroll sagte am Dienstag in einem Fernsehinterview, dass rund 100 Mitarbeiter von der Schnüffelei betroffen gewesen seien.
Behörde gibt sich zugeknöpft
Ein Staatsanwalt hat den Vorgang jetzt nachträglich bestätigt. AP-Chef Gary Pruitt spricht von einem „beispiellosen Eingriff“ in die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit. Er fordert Justizminister Eric Holder auf, alle Daten an AP zurückzugeben und sämtliche Kopien zu vernichten. Die Behörde gibt sich seit Bekanntwerden der Abhöraktion zugeknöpft, laviert zwischen Bekenntnissen zur Pressefreiheit und der Notwendigkeit, „unsere Strafgesetze effektiv anzuwenden“. Gemeint ist die verbotene Weitergabe sensibler Daten, die die nationale Sicherheit betreffen könnten.
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Gestern Nachmittag ging Minister Holder vor die sichtlich aufgebrachte Presse und bezeichnete die Abhöraktion als angemessen, weil ein „sehr, sehr gefährliches Informationsleck entstanden ist, das die Sicherheit amerikanischer Staatsbürger gefährdet“. Details nannte Holder nicht. Er selbst habe sich vor der Untersuchung für befangen erklärt und die Federführung seinem Stellvertreter überlassen. Die Parteispitze der Republikaner forderte den Rücktritt Holders, er habe einen „schweren Verstoß“ gegen die Pressefreiheit zu verantworten.
Obama-Sprecher Jay Carney hat jede Beteiligung des Weißen Hauses an der Lauschaktion abgestritten. „Wir wissen bis heute nur aus den Medien davon“, sagte Carney bei einer ungewohnt spannungsgeladenen Pressekonferenz. Er betonte mehrfach, dass Präsident Obama der Meinung sei, dass die Presse unbehindert ihrer Arbeit nachgehen können muss.
Medienverbände und Bürgerrechtsorganisationen wie die ACLU haben daran Zweifel. Sie verweisen auf diverse Enthüllungsgeschichten aus dem vergangenen Jahr, in denen die Rolle Obamas als oberster Entscheider im umstrittenen Drohnenkrieg und bei der Sabotage des iranischen Atomprogramms durch den Virus Stuxnet außerordentlich detailliert geschildert wurde; vor allem von der „New York Times“.
Obwohl die Berichte den Präsidenten in ein vergleichsweise positives Licht rückten, kritisierte Obama die auf undichte Stellen im Regierungsapparat zurückgehenden Veröffentlichungen scharf.
Abhör-Skandal ist für Obama-Regierung zusätzliche Belastung
Justizminister Holder gab im Sommer umfangreiche Untersuchungen in Auftrag, um die Lecks zu schließen. Dem Vernehmen nach gehörte das Abschöpfen von redaktionellen Dienstgeheimnissen bei AP dazu. Die Vorgehensweise der Justizbehörde wird von Medien-Rechtsanwälten als ungewöhnlich beschrieben. In der Regel müssten betroffene Medienhäuser rechtzeitig vorher informiert werden, bevor sensible Daten von Mitarbeitern abgegriffen und in strafrechtlichen Ermittlungen benutzt werden, heißt es in der „Washington Post“.
Spionage wie bei AP auch bei deutschen Medien möglich
Eine Bespitzelung von Journalisten wie bei der US-Nachrichtenagentur AP ist nach Einschätzung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) auch in der Bundesrepublik denkbar. Das sogenannte BKA-Gesetz ermögliche dies, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner am Dienstag in Berlin in einem Interview mit dem ZDF-Nachrichtenportal heute.de. "Eine Aktion, wie sie in den USA stattgefunden hat, wäre ganz genau so nach der deutschen Gesetzeslage auch bei uns möglich gewesen, sofern ein Richter dieser Aktion im Vorfeld zugestimmt hätte", erläuterte Zörner.
"Die Praxis zeigt, dass es in der Regel für Ermittlungsbehörden und Nachrichtendienste einfach ist, einen Richter von solchen Maßnahmen zu überzeugen."Das Vorgehen der amerikanischen Behörden sei "ein Angriff auf die Pressefreiheit", sagte DJV-Sprecher Zörner. "Damit ist der Informantenschutz, den Medien ihren Quellen geben müssen, grob verletzt worden."
Im aktuellen Fall hielten sich die Ermittler nicht daran. Ronald Machem, zuständiger Staatsanwalt in Washington, begründete dies in einem Brief an die AP-Spitze damit, dass andernfalls die „Vollständigkeit der Ermittlungen“ bedroht gewesen wäre.
Für die Obama-Regierung ist der Abhör-Skandal eine zusätzliche Belastung. Im Kongress bemühen sich die Republikaner nach Kräften, der Regierung nachträglich bei der Handhabung des tödlichen Angriffs im September 2012 auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi Total-Versagen nachzuweisen. Vor allem die Präsidentschafts-Ambitionen der seinerzeit verantwortlichen Außenministerin Hillary Clinton für das Jahr 2016 sollen im Frühstadium beschädigt werden.
Opposition aufgestachelt
Der Umstand, dass die oberste US-Finanzbehörde IRS vor dem Urnengang 2012 ausschließlich den Republikaner nahestehende Wahlunterstützungsvereine behindert und schikaniert hat, trug ebenfalls massiv zur Klimavergiftung bei und hat die Opposition aufgestachelt. US-Kommentatoren befürchten, dass Obama und die Demokraten dafür bei den Halbzeit-Wahlen 2014 die Quittung bekommen.