Berlin/München. . Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat 79 Abgeordnete genannt, die Familienangehörige beschäftigt haben. Die meisten sind von der CSU, auch Minister sind darunter. Peinlich für Regierungschef Horst Seehofer, der am Freitag in den Wahlkampf startete. Er versprach, “konsequent reinen Tisch zu machen“.

Es sollte eine Krönungsmesse werden für CSU-Chef Horst Seehofer: 1500 Teilnehmer hatte die Partei am Freitagabend in den schicken Münchner Postpalast eingeladen, um den Ministerpräsidenten zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im September zu nominieren. Die Unterstützung für Seehofer war einmütig, doch aus dem glamourösen Aufbruch in Weiß-Blau wurde nichts.

Stattdessen zeigte sich Seehofer angesichts der Gehälteraffäre in neuer Demut: "Wir bekennen uns zu unseren Fehlern", erklärte er zerknirscht und versprach "konsequent reinen Tisch zu machen" - personelle Konsequenzen in "eklatanten" Fällen eingeschlossen.

Nur wenige Stunden zuvor hatte SPD-Spitzenkandidat Christian Ude den Rücktritt von fünf CSU-Kabinettsmitgliedern gefordert, die ihre Ehefrauen als Bürohilfen angestellt haben sollen. Seehofer verbat sich zwar "Diffamierungen", mahnte aber weiter auch "ehrliche und offene Aufklärung an.

Auch die Opposition wusste die Rechtslage zu nutzen

Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hatte am Nachmittag eine Liste mit den Namen jener Abgeordneten vorgelegt, die auch nach einer Gesetzesverschärfung im Jahr 2000 noch zeitweise oder dauerhaft Ehepartner oder Kinder als Mitarbeiter auf Steuerzahlerkosten beschäftigt hatten. Insgesamt handelt es sich um 79 Parlamentarier. Zwar zeigte sich wie erwartet, dass auch die Opposition die lasche Rechtslage zu nutzen wusste – bis 2009 schanzten bis zu 21 SPD-Abgeordnete, darunter die spätere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, ihren Familien etwas zu. Bei den Grünen vergab die Abgeordnete Maria Scharfenberg Minijobs an ihre erwachsenen Kinder, auch ein fraktionsloser Abgeordneter ist betroffen.

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Doch drei Viertel der Fälle – auch alle 17 aus dieser Wahlperiode – liegen bei der im Landtag dominanten CSU-Fraktion. Brisant vor allem, dass auch ein halbes Dutzend christsozialer Kabinettsmitglieder mit Landtagsmandat betroffen ist: Von Kultusminister Ludwig Spaenle bis zu Landwirtschaftsminister Helmut Brunner stellten sie gern ihre Ehefrauen an. In der Regel ging es bei dieser Familienförderung um Summen zwischen 500 und 1000 Euro netto im Monat, der bereits zurückgetretene CSU-Fraktionschef Georg Schmid allerdings gönnte seiner Ehefrau ein ordentliches Monatsgehalt von bis zu 5500 Euro.

Die Spezlwirtschaft war wohl legal

Die Spezlwirtschaft war wohl in allen Fällen legal. Zwar ist es seit 2000 auch bayerischen Landtagsabgeordneten verboten, in ihren Büros auf Steuerzahlerkosten Ehefrauen oder Kinder zu beschäftigen – für damals schon bestehende Verträge gilt aber Bestandsschutz, seltsamerweise unbefristet. Diese Ausnahmeregelung soll jetzt kurzfristig abgeschafft werden, auch die bislang zulässige Beschäftigung von Geschwistern, die auf der neuen Liste gar nicht erfasst ist, wird verboten.

In anderen Parlamenten ist das alles selbstverständlich: Im Bundestag etwa sind Arbeitsverträge von Abgeordneten mit Verwandten generell unzulässig. Was in Bayern bisher legal war, sorgt nun für Empörung. „Noch einmal würden wir nicht so entscheiden wie im Jahr 2000“, räumte Landtagspräsidentin Stamm ein.

Die CSU – jetzt ist sie wieder die Amigo-Partei

Für Seehofer wird die Angelegenheit zur schweren Belastung. Er hatte seit 2008 erfolgreich versucht, die CSU vom „Amigo“-Ruch zu befreien und ihr ein modernes Image zu verpassen – schon träumte die CSU wieder von einer absoluten Mehrheit. Doch Seehofers Versicherung, er habe von der Vetternwirtschaft einiger seiner Minister nichts gewusst, wird in München bezweifelt. Sein SPD-Herausforderer Ude sieht schon eine „schwere Regierungskrise“ und schimpft: „Es ist ein Skandal, wenn eine Handvoll Kabinettsmitglieder den Staat als Beute betrachten.“

Seehofer indes ist wendig genug, rasch eine neue Rolle zu besetzen. Er gibt jetzt den Aufräumer: „Wir haben in Bayern kein Amigo-System“, versicherte er gestern, aber die Vorgänge „müssen anständig und transparent aufgearbeitet werden.“