Berlin. Das Bundesverfassungsgericht muss sich ein weiteres Mal mit der Platzvergabe im NSU-Prozess befassen. Am Dienstag ging in Karlsruhe die Verfassungsbeschwerde des freien Journalisten Martin Lejeune ein. Unterdessen will das Gericht eine Akkreditierung erneut verlosen.

Der NSU-Prozess wird möglicherweise ein zweites Mal verschoben. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bestätigte am Dienstag den Eingang der Beschwerde, der die Verteilung der Presseplätze im Oberlandesgericht (OLG) München anfechtet. Damit ist fraglich, ob der Prozess gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und mehrere mutmaßliche Komplizen wie vorgesehen am Montag beginnen kann. Zudem prüften mehrere Medien, ob auch sie juristisch gegen ihre Nichtberücksichtigung bei der Vergabe von Presseplätzen vorgehen sollen.

Der freie Journalist Martin Lejeune erläuterte auf seiner Internet-Seite, es sei unrechtmäßig, dass sein ihm im ersten Vergabeverfahren erhaltener Presseplatz wieder aberkannt worden sei. Zudem sei der Gerichtssaal immer noch zu klein; dies widerspreche dem Informationsrecht der Presse. Daher habe er auch einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt.

FAZ und Zeit prüfen

Der Beschwerde schließen sich möglicherweise andere Medien an. "Wir untersuchen derzeit den Sachverhalt", sagte der Justiziar der "Frankfurter Allgemeine Zeitung", Simon Haug. Der Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit" und Herausgeber des Berliner "Tagesspiegel", Giovanni di Lorenzo, erklärte: "Das Losverfahren ist im Ergebnis eine Farce." Eine Klage werde erwogen. Die Entscheidung des OLG habe mit der Information der Öffentlichkeit sehr wenig zu tun, sagte er dem RBB.

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Die Zeitung "Die Welt" sieht dagegen von sofortigen juristischen Schritten ab. Man verzichte auf den Antrag auf eine einstweilige Anordnung, um den Angehörigen der Opfer eine erneute Prozessverschiebung zu ersparen, teilte der Chefredakteur der Welt-Gruppe, Jan-Eric Peters, mit. Eine spätere Klage werde aber nicht ausgeschlossen. In dem Verfahren geht es um den Vorwurf der Mittäterschaft und Beihilfe zum Mord sowie die Bildung einer terroristischen Vereinigung. Die rechtsextremistische Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) soll mindestens zehn Menschen ermordet haben. Der rechtsradikale Hintergrund blieb Polizei und Justiz über ein Jahrzehnt verborgen, was die Empörung im In- und Ausland verstärkte.

ARD: Fehler bei Platzauslosung

Nach einem Bericht der ARD-"Tagesschau" vom Dienstag landete die Bewerbung des MDR-Hörfunks versehentlich im Korb für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Außerdem sei in diesem Topf das Los eines freien WDR-Mitarbeiters gewesen, der zunächst nicht mitbekommen hatte, dass sich die ARD als Pool bewirbt. Als er dies erfuhr, habe er seinen Antrag auf Akkreditierung zurückgezogen, doch seine Bewerbung sei im Loskorb geblieben - und wurde auch gezogen.

Diesen Presseplatz will das OLG nun neu verlosen, kündigte Sprecherin Andrea Titz am Dienstagabend an. Am Donnerstag oder Freitag solle der Platz unter den deutschsprachigen Medien mit Sitz im Inland neu verlost werden, sagte Titz der dpa..

Auch ausländische Presse protestiert

Der Verein der Ausländischen Presse in Deutschland (VAP) beklagte, große internationale Nachrichtenagenturen hätten keine Presseplätze bekommen. Ohne diese Quellen könnte die Prozessberichterstattung im Ausland eingeschränkt bleiben. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) ging auf diese Bedenken ein und stellt einen ihrer Plätze den Nachrichtenagenturen Reuters und AFP zur Verfügung. Die dpa wolle damit dazu beitragen, das weltweit tätige Nachrichtenanbieter aus erster Hand berichten könnten, teilte dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner mit. Auch der Deutsche Journalisten-Verband rief Vertreter kleinerer Medien dazu auf, ihre Plätze anderen zur Verfügung zu stellen.

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Die Neuvergabe der Plätze war nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nötig geworden. Die Verfassungsrichter hatten festgelegt, dass auch Medien aus den Ländern zugelassen werden müssen, aus denen die meisten Opfer der rechtsextremen Mordserie stammen. Das OLG verschob daraufhin ein erstes Mal den Prozessbeginn und reservierte fünf Plätze für türkische und griechische Medien. Nicht zum Zuge kamen unter anderem die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Die Welt", der "Tagesspiegel", die "Berliner Zeitung" und "Die Zeit". Auch internationale Nachrichtenagenturen wie Reuters, AP und AFP wurden nicht berücksichtigt.

Anwältin von Nebenklägern warnt vor erneuter Verschiebung

Die Anwältin von Nebenklägern, Angelika Lex, warnte vor einer erneuten Verschiebung des Prozesses. "Vor allem ist es eine Belastung, dass der Streit um die Formalien die Diskussion bestimmt und nicht die Mordserie und das Leid der Angehörigen der Opfer", sagte sie dem BR. Wie der VAP stellte sie die Frage, warum es nicht möglich sei, per Videoübertragung in einen größeren Raum allen Journalisten eine Beteiligung am Prozessgeschehen zu ermöglichen.

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Der Berliner Strafrechtler Tobias Singelnstein sagte dazu Reuters, eine Video-Übertragung stehe in einem Spannungsverhältnis mit strafprozessualen Grundsätzen. Demnach sollen sich die Richter ihr Urteil aus dem unbeeinträchtigten Geschehen in der Hauptverhandlung bilden. "Es besteht die Befürchtung, dass die Wahrheitsfindung beeinträchtigt wird, wenn man das Geschehen mittels Kameras einer größeren Öffentlichkeit zugänglich macht", sagte Singelnstein. Ob eine reine Video-Übertragung am Ende einen Revisionsgrund darstelle, sei aber ungewiss.

Bereits früher hatte der Präsident des Bundesgerichthofs, Klaus Tolksdorf, erklärt, die rechtliche Bewertung einer Videoübertragung sei sehr schwierig. Ein Grund sei, dass Angeklagte und Zeugen in Kameras und Mikrofone sprechen müssten. Dies könne sie zusätzlich belasten. (rtr/dpa)