Berlin. . 1500 Mitglieder stehen beim Gründungsparteitag der „Alternative für Deutschland“ auf den Stühlen: „Jetzt geht’s los“, skandieren sie minutenlang. Raus aus dem Euro: Mit dieser Forderung will die neue Partei Alternative für Deutschland (AfD) in den Bundestag. Auf ihrem Gründungsparteitag in Berlin verabschiedete die AfD am Sonntag das Wahlprogramm, in dem sie eine „geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes“ fordert.
Um kurz vor eins tobt der Saal. Parteichef Bernd Lucke hat die 1500 nach Berlin angereisten Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD) um Entscheidung gebeten, ob die Anti-Euro-Partei bei der Bundestagswahl antreten soll. Als Zeichen der Zustimmung springen die Euro-Gegner, überwiegend Anzugträger im mittleren und fortgeschrittenen Alter, von den Stühlen auf und skandieren minutenlang: „Jetzt geht’s los“.
Lucke, Wirtschaftsprofessor aus Hamburg (50), steht fast verlegen am Rednerpult. Dabei hat er als führender Kopf der Partei die Euphorie angeheizt: „Ein zweistelliges Ergebnis“ bei der Wahl sei für die AfD realistisch, hat er kurz vor dem Gründungsparteitag im Nobelhotel „Interconti“ verkündet.
Großer Zulauf
Die Stimmen soll das zentrale Ziel der neuen Partei bringen: „Die geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes“, so steht es im Wahlprogramm, das der Parteitag beschließt. Als Alternative sollen nationale Währungen wie die DM wieder eingeführt werden oder kleinere Währungsverbünde. „Wenn der Euro scheitert, scheitert doch nicht Europa – dann scheitert Angela Merkel“, ruft Lucke. „Wir müssen den Euro auflösen, wenn wir wahre Europäer sind.“
Die Stimmung ist großartig, doch ganz so einfach ist die Parteigründung doch nicht. Stundenlang plagt sich der Konvent mit Satzungsänderungen herum. Erst am späten Nachmittag ist die engste Parteiführung gewählt: Neben Lucke sollen die Leipziger Chemie-Unternehmerin Frauke Petry und der konservative Publizist Konrad Adam, einst Chefkorrespondent der „Welt“, der Partei ein seriöses Gesicht geben. Führender Kopf aber ist Lucke, der 33 Jahre lang CDU-Mitglied war, bis er einen Appell von 300 Ökonomen gegen die Euro-Rettungspolitik anführte und frustriert erleben musste, wie Merkel den Professorenrat ignorierte. 2011 verließ Lucke die CDU, jetzt schlägt der in Talkshows erprobte Ökonom hart zurück: „Euro-Blockparteien“ oder „erstarrte Altparteien“ nennt er Union, SPD, FDP und Grüne. Er wirft ihnen „Betrug“ vor und klagt, sie verletzten mit ihrer Euro-Rettungspolitik demokratische, rechtsstaatliche und ökonomische Grundsätze.
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Der Zulauf ist riesig. 7000 Mitglieder sind binnen weniger Wochen in die AfD eingetreten. Die fast 200 Bewerber um ein Dutzend Führungsfunktionen sind fast durchweg gut situierte Männer, fast ausnahmslose Akademiker. Fast 800 der Mitglieder kommen laut interner Statistik von CDU und CSU, rund 400 von der FDP, aber auch 360 von der SPD, 100 von den Piraten und 69 von den Grünen. Der Bochumer Elektrotechnik-Student Konstantin Kaufmann sieht „eine Chance, in Deutschland die erstarrten Systeme zu lockern oder zu verändern“. Es herrscht beinahe Euphorie – die etablierten Parteien „haben Angst vor uns“, ruft Partei-Ko-Chef Konrad Adam.
Wahlchancen sind noch ungewiss
Aber wie groß sind die Chancen der Partei, in den Bundestag zu kommen? „Das kann man heute noch nicht sagen“ meint Wahlforscher Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Obwohl Jung sei Monaten bei Umfragen auch nach der AfD fragen lässt, „kommen da praktisch keine Nennungen“. Immerhin, 17 Prozent der Wähler sagen, sie würden eine Partei wählen, die sich für den Austritt aus dem Euro einsetzt. „Es ist unübersehbar, dass Euro-Gegner im Parteiensystem keine Heimat haben“, sagt Jung. Wenn die AfD ein attraktives, seriöses Angebot unterbreite, könne sie Unzufriedenheit bündeln. Doch sei die Thematik so kompliziert, dass es beim Euro vor allem um Vertrauen gehe.
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Erste Führungsleute relativieren deshalb schon die radikalen Forderungen. Der konservative Publizist Alexander Gauland etwa sagt, beim Euro sei „jedes Zurück zu den Anfängen Selbsttäuschung“. Die AfD wäre „schon mal zufrieden, wenn der Euro nach den festgelegten Regeln funktionieren würde“.