Berlin. . Neben Steuererhöhungen für Besserverdiener stand vor allem die Frage nach einer Zweckehe mit der Union im Mittelpunkt des Grünen-Parteitags am Freitag. Jürgen Trittin erteilte der Idee einer schwarz-grünen Koalition eine Absage. Bis Sonntag wollen die Grünen ihr Wahlprogramm bestimmen.

Jürgen Trittin redete wie gewohnt Klartext. Mit „korrupten Amigos“ koalierten die Grünen nicht, polterte der Frontmann der Ökopartei gen CSU und deren Ex- Fraktionschef Georg Schmid, der seine Frau auf Staatskosten beschäftigt hatte.

Etwas Koalitions-Klartext kann ja nicht schaden, mag sich Trittin gestern zum Auftakt des dreitätigen Parteitags der Grünen in Berlin gedacht haben. Denn zuletzt hatten Parteimitglieder eine Steilvorlage für schwarz-grüne Gedankenspiele produziert. Man sei „von der Union nicht so meilenweit weg, dass wir mit ihr, sollte es für Rot-Grün nicht reichen, nicht mal Sondierungsgespräche führen könnten“, sinnierte etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident und Oberrealo Winfried Kretschmann in der Süddeutschen Zeitung. Zudem geht aus einer Forsa-Umfrage hervor, dass 54 Prozent der Grünen-Wähler auch ein Bündnis mit der Union befürworten würden.

Streit um Zweckehe mit der Union

Weiteres Öl in die Koalitionsdebatte schüttete gestern ein Antrag für eine Änderung der Präambel des Wahlprogramms, das die Grünen bis Sonntag auf den Weg bringen wollen. Demnach sollte die Passage gestrichen werden, wonach man im Wahlkampf „für starke Grüne in einer Regierungskoalition mit der SPD“ kämpfe. „Wir brauchen keinen vergemeinschafteten Wahlkampf mit der SPD“, sagte Antragsteller Hendrik Neumann. Die größte Schnittmenge gebe es mit der SPD, konterte Parteichef Cem Özdemir. „Was ist da falsch dran, das genauso ins Wahlprogramm zu schreiben?“

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Am Ende lehnte die Mehrheit den Antrag ab. Zur Erleichterung der Grünenspitze. Die will von einer Zweckehe mit der Union offiziell nichts wissen. Über das Wahlprogramm werde man mit der Union zu 80 Prozent nicht einmal reden können, versuchte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt, das schwarz-grüne Gespenst zu verscheuchen. Ganz so unrecht hat sie damit nicht. Denn die Grünen werden Punkte beschließen, die kaum unionskompatibel sind. Etwa das Aus zum Betreuungsgeld oder die Einführung der Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege. Oder das Abschmelzen des Ehegattensplittings. Ebenso der Ausstieg aus der Kohleenergie schon bis zum Jahr 2030. Ein rotes Tuch wird für die Union auch die grüne Vermögensabgabe sein. Sie soll über mehrere Jahre 100 Milliarden Euro in den Haushalt zum Schuldenabbau spülen. Angedacht ist danach eine Vermögenssteuer.

Steuererhöhungen für Besserverdiener

Mit ihren Steuerplänen möchte die Ökopartei den Wohlstand umverteilen. Geplant ist die Verdoppelung der Erbschaftssteuer, damit die Länder mehr Geld in Bildung pumpen können.

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Der Spitzensteuersatz soll ab einem Jahreseinkommen von 80 000 Euro von 42 auf 49 Prozent steigen. Kleinere und mittlere Einkommen bis 60 000 Euro sollen dagegen entlastet und der Grundfreibetrag auf 8700 Euro angehoben werden.

Kretschmann geht das zu weit. „Ich glaube nicht, dass man in einer Legislaturperiode mehr als zwei Steuern erhöhen kann“, sagte er und warnte vor „unzumutbaren Belastungen“ für den Mittelstand.

<blockquote class="twitter-tweet" lang="de"><p>Inhaltlich falsch. Unsolidarisch. Wahlkampfschädigend. <a href="http://t.co/kfU3Tq60nY" title="http://www.sueddeutsche.de/politik/ermahnung-an-die-gruenen-kretschmann-kritisiert-wahlprogramm-der-eigenen-partei-1.1659149">sueddeutsche.de/politik/ermahn…</a> <a href="https://twitter.com/search/%23bdk13">#bdk13</a></p>&mdash; Sven Lehmann (@svenlehmann) <a href="https://twitter.com/svenlehmann/status/327687326383886336">26. April 2013</a></blockquote>

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Große Teile des linken Flügels war danach stinksauer. "So geht man miteinander nicht um", sagte eine Parlamentarierin. Der NRW-Chef der Grünen, Sven Lehmann, war Kretschmann via Twitter wahlkampfschädigendes Verhalten vor.

Ein Angriff auf Trittin, der das Steuerkonzept mit gestaltet hat. Dahinter steckt der Flügelstreit: Viele Realos sind so alarmiert, dass Fraktionsvize Kerstin Andreae ursprünglich per Antrag forderte, man möge die Gesamtbelastungen im Blick behalten.

Mindestlohn und Garantierente

Sollte sich der Eindruck verfestigen, dass die Grünen die Bürger abkassieren, wäre dies heikel für den Wahlkampf. So predigt Trittin seit Wochen, dass die Einkommens-steuerpläne 90 Prozent der Bürger entlasteten. Jedenfalls weiß er die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Nach einer Umfrage befürworten 72 Prozent der Bürger die Vermögensabgabe und 52 Prozent den höheren Spitzensteuersatz.

Des Weiteren will die Ökopartei einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro, bessere Bedingungen für Leiharbeiter, einen Hartz-IV-Regelsatz von 420 Euro und eine Garantierente. Insgesamt wartet auf die Grünen ein Marathon mit 80 bis 100 Abstimmungen. Eingeplant ist am Samstag auch eine Gastrede von Sigmar Gabriel. Hier wird der SPD-Chef sicher das Seinige tun, um potenziell abtrünnige Delegierte auf Rot-Grün einzuschwören.