Berlin. . Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist an vielen Stellen gescheitert. Trotzdem wird sie immer wieder als Merkel-Nachfolgerin gehandelt. Wie erklärt sich dieses Phänomen? So weiß Merkel, dass von der Leyen auch ein Pfund ist, eine Helferin bei der Modernisierung der Union und eine starke Wahlkämpferin.

Es ist wohl eine Frage der Leidenschaft. Der Hartnäckigkeit, mit der Ursula von der Leyen Position bezieht. Manchmal, gestand sie in einem Interview, „renne ich damit auch gegen die Wand“. Wie bei der festen Frauenquote. Die setzte von der Leyen in der Union durch, fast im Alleingang. Im Kabinett war sie als Sozialministerin nicht mal zuständig, sondern Familienministerin Kristina Schröder.

Über Kanzlerin Angela Merkel setzte sie sich auch hinweg. „Frau von der Leyen führt auf dem Rücken der Frauen einen Machtkampf um die Nachfolge von Angela Merkel“, pinnt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles auf ihre Facebook-Seite.

Man muss zwei Jahre zurückgehen, bis zu einem Mittwoch Ende Januar 2011: Frühstück vor dem Kabinett, der CDU-Teil unter sich. Schon damals ging es um die Quote von Frauen in der Wirtschaft, um ein Interview der Arbeitsministerin. Die Quote sei politisch nicht durchsetzbar, befand die Kanzlerin. „Ich habe nicht dazu geraten, mit einer 30-Prozent-Quote an die Öffentlichkeit zu gehen.“

Merkels Machtwort

Die Kanzlerin wollte Ruhe haben. Für Merkel-Verhältnisse war es damals ein Chefwort. Meist pariert die CDU. Von der Leyen nicht. Zwei Jahre lang hat sie gekämpft, unbeirrt, mit vollem Einsatz. Zuletzt schien es möglich, dass von der Leyen – der GAU im Wahljahr – im Bundestag mit SPD und Grünen für eine Frauenquote stimmen könnte. Die CDU-Chefin schloss sich mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer kurz. Eilends wurde das Unions-Programm passend gemacht – die Wand gab lieber nach als von der Leyens Dickköpfigkeit zu testen.

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Die Union wird es nicht vergessen. Über die Ministerin erzählt man sich in der Fraktion folgenden Witz: „Eine Abkürzung für von der Leyen mit drei Buchstaben? Antwort: I-C-H.“ Ans Rednerpult im Bundestag durfte gestern nicht die Ich-AG, sondern Familienministerin Kristina Schröder. Begeistert wie selten applaudierten ihr die Abgeordneten. Die Kanzlerin folgte aufmerksam dem Auftritt, stand hinterher sogar auf. Kerzengerade beobachtete von der Leyen das Schauspiel, koalitionstreu bis zur Kleidung: Hellgelbes Jackett über dem schwarzen Oberteil.

Der Erfolg mit der Quote musste sein. Als Ministerin musste sie längst um ihre Glaubwürdigkeit bangen. Ihre Bilanz seit 2009 ist mager. Zu viel versprochen, aber nicht gehalten. Die SPD warf ihr über den Bundesrat Knüppel zwischen die Beine, als die Hartz-IV-Sätze neu berechnet werden sollten. Das Bildungspaket für Kinder ist bis heute keine Erfolgsgeschichte. Beim Mindestlohn schloss sich von der Leyen gerade noch rechtzeitig einer Initiative des CDU-Sozialflügels an. Der Durchbruch blieb aus. Dann die Rentenreform gegen Altersarmut: Als Jahrhundertreform angekündigt, von der Koalition erst zerpflückt und dann am Ende still und leise beerdigt.

Gedemütigt durch die Kanzlerin

So erfolgsverwöhnt, wie es in diesen Tagen erscheint, ist von der Leyen nicht. Bei ihrer Wahl als CDU-Vize-Chefin kam sie nur auf 69 Prozent der Stimmen. Bei der Suche nach einem Nachfolger für Bundespräsident Köhler hat Merkel sie „übersehen“. Die Demütigung hat von der Leyen nicht vergessen. Seit 2010 hat sich das Verhältnis der Frauen verändert.

Von der Leyens Karriere

Ursula von der Leyen ist die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Ernst Albrecht (CDU), und seiner Frau Heide Adele.
Ursula von der Leyen ist die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Ernst Albrecht (CDU), und seiner Frau Heide Adele. © imago stock&people
Sie ist seit 1986 mit dem Medizin-Professor und Unternehmer Heiko von der Leyen verheiratet.
Sie ist seit 1986 mit dem Medizin-Professor und Unternehmer Heiko von der Leyen verheiratet.
Sieben Kinder gehören zu der Großfamilie.
Sieben Kinder gehören zu der Großfamilie. © ddp
Bei so viel eigenem Nachwuchs lag es nicht fern,...
Bei so viel eigenem Nachwuchs lag es nicht fern,... © ddp
...dass von der Leyen 2005 das Amt der Bundesfamilienministerin übernahm. Der Einzug ins Kabinett war vorläufiger Höhepunkt einer raschen Karriere. Bis 2004...
...dass von der Leyen 2005 das Amt der Bundesfamilienministerin übernahm. Der Einzug ins Kabinett war vorläufiger Höhepunkt einer raschen Karriere. Bis 2004... © ddp
...war sie Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion in der niedersächsischen Stadt Sehnde. Am 4. März wurde sie Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit in Niedersachsen.
...war sie Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion in der niedersächsischen Stadt Sehnde. Am 4. März wurde sie Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit in Niedersachsen. © ddp
Als Bundesfamilienministerin wurde Ursula von der Leyen am 22. November 2005 ins Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel berufen.
Als Bundesfamilienministerin wurde Ursula von der Leyen am 22. November 2005 ins Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel berufen. © imago stock&people
Die 50-Jährige führte zum 1. Januar 2007 das Elterngeld ein und schaffte dafür das Erziehungsgeld ab.
Die 50-Jährige führte zum 1. Januar 2007 das Elterngeld ein und schaffte dafür das Erziehungsgeld ab. © ddp
Beim Kita-Streik stellte sie sich auf einer Großdemo an die Seite der Erzieher:
Beim Kita-Streik stellte sie sich auf einer Großdemo an die Seite der Erzieher: "Seit fast 20 Jahren hat sich in Ihren Portemonnaies nicht geändert. Das muss sich aber ändern!" Die schwierige Arbeit im sozialen Bereich müsse „ordentlich entlohnt werden”. © ddp
Durchgeboxt hat die Ministerin ein Gesetz zur Sperrung von Kinderpornografie-Seiten im Netz - obwohl Kritiker darin den Anfang einer umfassenden Internetzensur befürchten.
Durchgeboxt hat die Ministerin ein Gesetz zur Sperrung von Kinderpornografie-Seiten im Netz - obwohl Kritiker darin den Anfang einer umfassenden Internetzensur befürchten. © imago stock&people
Datenschützer werfen der Bundesregierung vor, das Gesetz sei in einer Art Hauruckaktion entstanden - ohne eine ausführliche Beratung zu den Regelungen. Prompt erhielt sie den Beinamen
Datenschützer werfen der Bundesregierung vor, das Gesetz sei in einer Art Hauruckaktion entstanden - ohne eine ausführliche Beratung zu den Regelungen. Prompt erhielt sie den Beinamen "Zensursula". © ddp
Ursula von der Leyen und der Präsident des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA), Joerg Ziercke, zeigen das Stopp-Schild, das in Zukunft erscheinen soll, wenn Internetnutzer versuchen auf kinderpornographische Seiten zuzugreifen.
Ursula von der Leyen und der Präsident des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA), Joerg Ziercke, zeigen das Stopp-Schild, das in Zukunft erscheinen soll, wenn Internetnutzer versuchen auf kinderpornographische Seiten zuzugreifen. © ddp
Manches Fettnäpfchen hat sie schon getroffen: So verkündete sie, dass die Geburtenrate 2008 angestiegen sei, was sie als Erfolg des Elterngeldes wertete. Allerdings kannte sie nur die Statistik der ersten neun Monate. Im gesamten Jahr war die Zahl der Geburten gesunken.
Manches Fettnäpfchen hat sie schon getroffen: So verkündete sie, dass die Geburtenrate 2008 angestiegen sei, was sie als Erfolg des Elterngeldes wertete. Allerdings kannte sie nur die Statistik der ersten neun Monate. Im gesamten Jahr war die Zahl der Geburten gesunken. © AP
Von der Leyen - hier mit Ex-Justizministerin Brigitte Zypries und Karl-Theodor zu Guttenberg (damals Wirtschafts-, heute Verteidigungsminister) - sorgte mit der Ankündigung für Zündstoff, minderjährige Testkäufer einzusetzen, um Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz aufzudecken.
Von der Leyen - hier mit Ex-Justizministerin Brigitte Zypries und Karl-Theodor zu Guttenberg (damals Wirtschafts-, heute Verteidigungsminister) - sorgte mit der Ankündigung für Zündstoff, minderjährige Testkäufer einzusetzen, um Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz aufzudecken. © ddp
Ihren Bekanntheitsgrad steigerte sie mit Fernsehauftritten wie in der ZDF-Show
Ihren Bekanntheitsgrad steigerte sie mit Fernsehauftritten wie in der ZDF-Show "Wetten, dass...?". Mit dem australischen Schauspieler Hugh Jackman verstand sie sich so gut..., © ddp
..., dass er sie auf Händen über die Bühne trug.
..., dass er sie auf Händen über die Bühne trug. © imago stock&people
Spontan kletterte sie zudem in eine Tonne.
Spontan kletterte sie zudem in eine Tonne. © ddp
Seite an Seite mit der britischen Schauspielerin Kate Winslet zeigte sich Ursula von der Leyen auf der Premierenparty des Films
Seite an Seite mit der britischen Schauspielerin Kate Winslet zeigte sich Ursula von der Leyen auf der Premierenparty des Films "Der Vorleser". © AP
Die Bundesfamilienministerin lebt gerne das Idealbild der voll berufstätigen Mutter vor. Und sie weiß, wie sie sich für ein gutes Pressefoto inszenieren muss:
Die Bundesfamilienministerin lebt gerne das Idealbild der voll berufstätigen Mutter vor. Und sie weiß, wie sie sich für ein gutes Pressefoto inszenieren muss: © AP
Zum Beispiel beim Tanzbein schwingen - hier mit Tanzlehrerin Eneida Kasper bei der Einweihung des St. Josef-Haus in Wesel, einem Mehrgenerationenhaus.
Zum Beispiel beim Tanzbein schwingen - hier mit Tanzlehrerin Eneida Kasper bei der Einweihung des St. Josef-Haus in Wesel, einem Mehrgenerationenhaus. © NRZ
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Das Thema Ernährung hat sich Ursula von der Leyen (hier mit Starköchin Sarah Wiener) bei der Initiative "Für ein kindergerechtes Deutschland" auf die Fahnen geschrieben. © ddp
Mit Angela Merkel feierte sie deren Wiederwahl zur Kanzlerin durch die Abgeordneten im Bundestag am 28. Oktober 2009.
Mit Angela Merkel feierte sie deren Wiederwahl zur Kanzlerin durch die Abgeordneten im Bundestag am 28. Oktober 2009. © AP
Ursula von der Leyen wurde erneut ins Bundesfamilienministerium berufen,...
Ursula von der Leyen wurde erneut ins Bundesfamilienministerium berufen,... © AP
...sie wäre aber lieber Bundesgesundheitsministerin geworden. Dieses Ministerium ging an den jungen FDP-Kollegen Philipp Rösler (r.). Trotzdem sollte sie schon bald das Ressort wechseln. Nach dem Rücktritt...
...sie wäre aber lieber Bundesgesundheitsministerin geworden. Dieses Ministerium ging an den jungen FDP-Kollegen Philipp Rösler (r.). Trotzdem sollte sie schon bald das Ressort wechseln. Nach dem Rücktritt... © ddp
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...des Arbeitsministers Franz Josef Jung (l.) nur vier Wochen nach der Amtsübernahme... © AP
...berief Angela Merkel Ursula von der Leyen noch am selben Tag zur neuen Ministerin für Arbeit und Soziales.
...berief Angela Merkel Ursula von der Leyen noch am selben Tag zur neuen Ministerin für Arbeit und Soziales. © ddp
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Immerhin ist die Methode „vdl“ Merkel seit Februar 2007 vertraut. Damals schlug die Kanzlerin die Zeitung auf und las, dass ihre Ministerin bis 2013 die Zahl der Betreuungsplätze für Kleinkinder um eine halbe Million erhöhen wolle. Merkel wusste von nichts, kein Wort darüber im Koalitionsvertrag, und die Finanzierung war auch unklar. Merkel griff zum Handy und stellte von der Leyen zur Rede. Die erwiderte: „Das nehme ich auf meine Kappe.“

Das hat Merkel imponiert. Sie weiß, dass von der Leyen auch ein Pfund ist, eine Helferin bei der Modernisierung der Union und eine starke Wahlkämpferin. „Sie kämpft für uns“, sagen die Frauen in der Union. „Ein bisschen Ich-AG kann dabei nicht schaden.“