Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat die heftig umstrittene Platzvergabe im Münchner NSU-Prozess zum Teil korrigiert. Karlsruhe ordnete dem Oberlandesgericht (OLG) München am Freitag an, mindestens drei zusätzliche Plätze für ausländische Journalisten zu schaffen. Vize-Kanzler Philipp Rösler (FDP) und andere Politiker begrüßten die Entscheidung.

Im Streit um die Platzvergabe im Münchener NSU-Prozess hat die türkische Zeitung "Sabah" einen Erfolg erzielt. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ordnete am Freitag an, dass "eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern" vergeben werden müsse. Vorgeschlagen wurden drei zusätzliche Plätze oder ein neues Verfahren der Sitzplatzvergabe. Gerade die Vertreter türkischer Medien hätten ein besonderes Interesse an einer eigenständigen Berichterstattung über den Prozess, "da zahlreiche Opfer der angeklagten Taten türkischer Herkunft sind", hieß es zur Begründung des Beschlusses (Az. 1 BvR 990/13).

Das Oberlandesgericht München, wo der NSU-Prozess am Mittwoch beginnen soll, hatte die 50 Presseplätze nach der Reihenfolge des Eingangs der Anträge vergeben. Dabei gingen die meisten internationalen und alle türkischen Medien leer aus. Das Gericht muss aber nicht, wie von "Sabah" gefordert, sein Platzvergabeverfahren komplett rückgängig machen.

Richter lassen offen, wie Platzvergabe geschehen soll

Der Prozess um die terroristischen Anschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) soll am kommenden Mittwoch in München beginnen. Türkische Medien waren bei der Vergabe der 50 reservierten Presseplätze leer ausgegangen - obwohl acht von zehn Mordopfern türkische Wurzeln haben. Ein weiteres Opfer war griechischer Herkunft. Griechische Medien hatten sich jedoch nicht um Plätze beworben. Das Oberlandesgericht hatte die Akkreditierungen nach der Reihenfolge des Eingangs vergeben. Im Gegensatz zu anderen Strafverfahren gab es kein spezielles Kontingent für ausländische Medien.

Wie die Platzvergabe im einzelnen geschehen soll, ließen die Verfassungsrichter offen. Möglich wäre, ein Zusatzkontingent von nicht weniger als drei Plätzen zu eröffnen, in dem nach dem Prioritätsprinzip oder etwa nach dem Losverfahren Plätze vergeben werden. "Es bleibt dem Vorsitzenden aber auch unbenommen, anstelle dessen die Sitzplatzvergabe oder die Akkreditierung insgesamt nach anderen Regeln zu gestalten", heißt es in dem Beschluss.

"Sabah"-Chefredakteur: "Gericht setzt klares Signal"

Der stellvertretende "Sabah"-Chefredakteur Ismail Erel zeigte sich erleichtert. "Wir haben uns nicht zu Unrecht ungleich behandelt gefühlt", sagte er. "Das Gericht hat ein ganz klares Signal gesetzt." "Sabah"-Anwalt Ralf Höcker sagte, die Entscheidung schaffe mehr Rechts- und Planungssicherheit für Gerichtsberichterstatter: "Die Vergabe von Sitzplätzen an Medienvertreter in einem derart wichtigen Verfahren muss absolut fair verlaufen", sagte Höcker. "Dazu gehört, dass ausländische Medien mit einem besonderen Bezug zum Verfahren Berücksichtigung finden müssen."

Vize-Kanzler Rösler begrüßt Enscheidung aus Karlsruhe

Vize-Kanzler Philipp Rösler (FDP), der gerade zu einem Besuch in der Türkei war, sagte am Freitag in Berlin: "Ich freue mich, dass nun auch türkische Medien unmittelbar über den Prozess berichten können. Denn in der Türkei ist überall zu spüren, wie betroffen die Menschen auf die schreckliche NSU-Mordserie reagieren."

Auch die Bundesvorsitzenden der Grünen, Claudia Roth und Cem Özdemir, begrüßten die Entscheidung. "Die höchsten Richter machen deutlich, dass gerade türkische Medienvertreter ein besonderes Interesse an diesem Prozess haben. Das ist starkes Signal nicht nur an die Menschen mit türkischen Wurzeln in unserem Land, dass dieser NSU-Prozess fair und transparent verlaufen wird", heißt es in einer Presseerklärung der Grünen-Parteispitze.(afp/dpa)