Düsseldorf. . Firmen, die Aufträge für Stadt oder Land erledigen, sollten ihre Mitarbeiter anständig behandeln. Das war einmal die Idee hinter dem Tariftreuegesetz. Am 1. Juni tritt die Rechtsverordnung in Kraft. Vor allem die komplizierten Auflagen in Sachen Ökologie rufen jetzt Kritiker auf den Plan.

Die Arbeitgeberverbände in NRW haben nachgezählt. Die Rechtsverordnung zum Tariftreue- und Vergabegesetz enthalte 34-mal das Wort Pflicht oder Verpflichtung, 20-mal das Wort Nachweis und 17-mal das Wort Dokumentation. Deshalb kann es sich für Arbeitgeberpräsident Horst-Werner Maier-Hunke nur um „ein bürokratisches Monster“ handeln.

Dabei war der gut 60-seitige Text bereits als praxistaugliche Gebrauchsanleitung für ein Gesetz gedacht, das seit gut einem Jahr die Gemüter des NRW-Mittelstandes erhitzt. In dieser Woche hat Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) die Paragrafensammlung noch einmal durchharken lassen – bei Inkrafttreten der Rechtsverordnung am 1. Juni scheint ihm dennoch Ärger gewiss.

Nachweispflicht eingedämmt

Eigentlich sollte das Gesetz dafür sorgen, dass größere öffentliche Aufträge (ab 20 000 Euro) nur noch an Firmen vergeben werden, die ihre Mitarbeiter ordentlich bezahlen. Wenn der Staat irgendwo ein Zeichen gegen Lohndumping setzen kann, dann hier. Die Gehaltsuntergrenze für öffentliche Auftragnehmer ist inzwischen weitgehend unstrittig. Für Unmut bei Handwerkern und Mittelständlern sorgen indes die zahlreichen ökologischen und sozialen Kriterien, die ebenfalls Eingang ins Gesetz fanden.

Wer für Stadt oder Land Arbeiten erledigt, muss möglichst ausschließen, dass er Material oder Waren verwendet, die gegen die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verstoßen. Die Bieter müssten prüfen, ob Holz, Stein oder Stoff aus Schwellenländern stammten, in denen möglicherweise Kinderarbeit üblich sei. Das sorgt bei Mittelständlern für Kopfschütteln.

„Kein Malermeister muss belegen, dass sein Pinsel nicht aus Kinderarbeit stammt“, beschwichtigte Minister Duin zu Wochenbeginn gegenüber dem „Kölner Stadtanzeiger“. Allerdings monieren die Handwerkskammern, dass solche bürokratischen Hürden Verunsicherung schürten und Zeit kosteten. Dass man in vielen kommunalen Amtsstuben ohnehin keine Zeit haben dürfte, all diese neuen Vorgaben zu prüfen, beruhigt die Verbandsoberen kaum. Jede neue Vergabevorschrift schaffe neuen Raum für Rechtsstreitigkeiten, denen nur Großunternehmen mit Hausjuristen gewachsen seien, heißt es dort.

Oppositiion läuft Sturm gegen Vergaberegeln

Um die Nachweispflichten möglichst einzudämmen, hat das rot-grüne Kabinett zu Wochenbeginn beschlossen, auch bei Dienstleistungsaufträgen eine Art Jahresakkreditierung zu schaffen. Bislang war dies der Baubranche vorbehalten. Eine Firma kann demnach an einem „Präqualifizierungsverfahren“ teilnehmen und ist anschließend bei den Vergabestellen für zwölf Monate als „korrektes“ Unternehmen gelistet. Zudem arbeitet das Wirtschaftsministerium an einem Leitfaden in verständlicher Sprache und mit klaren Beispielen.

Zu den umstrittenen Neuerungen gehören die „Aspekte der Frauenförderung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Ein gutes Dutzend Maßnahmen hat die Landesregierung aufgeführt – von der Untersagung verbaler Gewalt gegen weibliche Beschäftigte über Teilzeitangebote und Analyse der geschlechterspezifischen Bezahlung bis hin zum Eltern-Kind-Zimmer im Betrieb. Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern müssen mindestens zwei dieser Maßnahmen umsetzen, Betriebe mit über 500 Beschäftigten mehr als vier.

Die Opposition im Landtag läuft seit Monaten Sturm gegen die Vergaberegeln. Rot-Grün hält die Proteste für unbegründet. Da viele Vorgaben erst ab einer bestimmten Betriebsgröße und ab einem höheren Auftragsvolumen griffen, müsse auch künftig keine Schulsekretärin bei der Bestellung von Bleistiften einen Abendkurs in Jura belegen.