Berlin. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wird in Frankreich Präsident François Hollande treffen. Einen schlechteren Moment hätte er sich nicht aussuchen können - wegen der Kontoaffäre eines Ministers ist der französische Staatschef arg gebeutelt, seine Umfragewerte rutschten ab. Hilfe für Steinbrücks Wahlkampf ist da kaum zu erwarten.
Vor seinem ersten Treffen mit Frankreichs Präsident François Hollande als SPD-Kanzlerkandidat geht Peer Steinbrück stempeln. In der Berliner Parteizentrale drückt er am Donnerstag der Briefmarke zur 150-jährigen Geschichte der SPD das Konterfei von Ferdinand Lasalle auf. Wenige Stunden später reist der 66-Jährige nach Paris, um den Staatschef zu treffen.
Einen schlechteren Moment hätte Steinbrück, der nicht vom Glück verfolgt ist, kaum finden können, um mit dem im Ansehen rapide gesunkenen Hollande ein offenes Wort zu sprechen. In der SPD wird eingeräumt, Hilfe im Wahlkampf könne Steinbrück von dem Sozialisten kaum erwarten, dem mit der Abwahl seines konservativen Vorgängers gelang, was der SPD noch bevorsteht.
"Ich werde mit Francois Hollande das sehr offene Wort fortsetzen, das wir in bisher drei oder vier Begegnungen hatten", kündigte Steinbrück an. Das entscheidende Thema werde Europa sein. Während aus der CDU Forderungen kamen, Steinbrück möge den Präsidenten zu einem Sparkurs ermahnen, vermeidet der Kanzlerkandidat öffentliche Ratschläge.
Hollande gilt der SPD als Verbündeter
Gut zehn Monate im Amt steht der Präsident der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone angesichts wirtschaftlicher Talfahrt und hoher Arbeitslosigkeit unter Druck. Ein weiterer Rückschlag ist das späte Eingeständnis seines Ex-Haushaltsministers Jérôme Cahuzac, ein geheimes Auslandskonto unterhalten zu haben.
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
Der SPD gilt Hollande als Verbündeter gegen die Vormachtstellung der konservativen Regierungschefs in Europa. Im Sommer 2012 setzte die SPD im Ringen um den EU-Fiskalpakt gemeinsam mit Hollande Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unter Druck, neben dem Sparkurs für Europa auch Wachstumsimpulse auf den Weg zu bringen und auf eine Besteuerung der Finanzmärkte zu setzen. Beides wurde Bestandteil des Pakets. Der Paris-Besuch der SPD-Troika aus Steinbrück, Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier damals sorgte für Aufsehen, weil Hollande die Genossen noch vor Merkel empfing.
Im eigenen Land ist Hollande mittlerweile so schlecht gelitten wie kein anderer französischer Staatschef nach so kurzer Zeit im Amt. Teile seiner Wahlversprechen, etwa die Rente mit 60 für junge Berufsanfänger, musste er zurücknehmen.
Steinbrück: Reichensteuer nicht auf Deutschland übertragbar
Mit Vorhaben wie seiner Reichensteuer von 75 Prozent können sich SPD-Linke anfreunden, etwa die Jusos, die auf dem Parteitag am 14. April eine Vermögensabgabe ins Regierungsprogramm schreiben wollen. Steinbrück sagt, die Reichensteuer sei auf Deutschland nicht übertragbar. Sein Verhältnis zu Hollande hat das nicht getrübt: Dies habe sich "positiv, positiv, positiv" entwickelt.
"Steinbrücks Besuch wird sicher sehr viel vorsichtiger ausfallen als vor einem Jahr", sagte die Frankreich-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Claire Demesmay, der Agentur Reuters. Die SPD werde versuchen, einige Elemente der französischen Überzeugungen wie etwa Euro-Bonds auch nach Deutschland zu importieren. "Aber Steinbrück steht ja auch für Merkels Sparpolitik. Deshalb wird er auch auf deutsche Interessen in der Euro-Politik hinweisen müssen", so Demesmay.
Eine deutsch-französische Achse Steinbrück-Hollande käme einer gemeinsamen Schuldenhaftung in der Euro-Zone näher. In ihrem Regierungsprogramm fordert die SPD einen "europäischen Schuldentilgungsfonds", der kaum etwas anderes bedeutet. Mit seinem Besuch in Paris will Steinbrück den Wählern verdeutlichen, dass er in Europa Gehör findet. Auch eine Reise nach Polen ist in der Planung. Die nächste Begegnung mit Hollande ist programmiert: Er ist der Festredner bei der 150-Jahr-Feier der SPD am 23. Mai in Leipzig.
Alleinunterhalter mit politischem Anspruch
Steinbrück steckt wie Hollande im Popularitätstief. Die Laune verdirbt ihm das nicht. Beim Briefmarken-Stempeln scherzt er darüber, dass er vor 50 Jahren seinem jüngeren Bruder mit ein paar Lego-Steinen den heute wertvolleren Teil der Briefmarkensammlung abgeluchst hat.
Am Mittwochabend stand er etwa 600 Zuhörern in seiner "Klartext"-Reihe Rede und Antwort. Steinbrück drückt sich nicht vor heiklen Themen. Wie steht er zu der Forderung mancher Eltern moslemischen Glaubens, den Sportunterricht für Jungen und Mädchen zu trennen? "Wenn die Schulen es einrichten können, dann sollen sie es machen", sagt Steinbrück frei heraus - und löst damit einige Sekunden Stille in der Zuhörerschaft aus. Die Schulen sollten nach Möglichkeit "Rücksicht nehmen auf religiöse Überzeugen", schiebt er nach. "Aber da denkt vielleicht jeder anders."
Steinbrück streift in den über zwei Stunden alle Themen. Ihm liegt die Rolle des Alleinunterhalters mit politischem Anspruch. Er legt sich fest - gegen eine große Koalition, gegen eine Minderheitsregierung, gegen eine Ampel mit der FDP: "Ich stehe nur für eine rot-grüne Bundesregierung zur Verfügung." Wie Hollande zieht er mit der Ankündigung von Steuererhöhungen in den Wahlkampf. Die Bildungsausgaben sollen steigen. "Das setzt Steuererhöhungen voraus. Und darüber wird die Luft noch schön eisenhaltig im kommenden Bundestagswahlkampf." (reuters)