Berlin. Bis zu drei Jahre Haft fordert Gesundheitsminister Daniel Bahr für Korruption im Gesundheitswesen. Noch in der laufenden Wahlperiode soll eine Verschärfung des Sozialgesetzbuches auf den Weg gebracht werden. Die Krankenkassen begrüßen den Vorstoß, die SPD hingegen lehnt ihn ab.

Korruption im Gesundheitswesen soll nach dem Willen von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können. Eine Verschärfung des Sozialgesetzbuches solle noch in der laufenden Wahlperiode auf den Weg gebracht werden, teilte eine Sprecherin Bahrs am Mittwoch in Berlin mit. Der "Tagesspiegel" hatte zuerst darüber berichtet. Die SPD lehnte den Vorstoß ab, die Krankenkassen begrüßten ihn.

Vorteilsannahme soll verboten werden

Bestechung und Bestechlichkeit von Kassenärzten, Herstellern von Medizintechnik und bei anderen Gesundheitsberufsgruppen sollen künftig mit einer Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft geahndet werden. Geplant ist eine Strafvorschrift im Sozialgesetzbuch V, die sich am Strafgesetzbuch orientiert. Verboten werden sollen Vorteilsannahme und -gewährung. Die Ärzteschaft hatte sich gegen eine nur auf Ärzte zugeschnittene Regel gewehrt. Das Bundesjustizministerium hatte zurückhaltend auf Überlegungen reagiert, das Strafrecht zu ändern, wie eine Sprecherin bestätigte.

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Von Marc-André Podgornik u. Daniel Freudenreich

In Fahrt gekommen war die Debatte durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Sommer. Korruption niedergelassener Ärzte ist demnach nach geltendem Recht nicht strafbar. Es geht zum Beispiel um die Annahme von Zuwendungen für die Verordnung bestimmter Arzneien oder den Einsatz medizinischer Hilfsmittel. Bahr hatte im Januar eine Gesetzesänderung angekündigt, so dass Staatsanwälte gegen Ärzte ermitteln können.

Gesetzesneuregelung nicht sicher

Ob die Neuregelung Gesetz wird, ist unklar. Denn die Regierung ist im Bundesrat auf SPD, Grüne und Linke angewiesen. Im Bundestag hatten alle drei Oppositionsparteien in eigenen Anträgen teils schärfere Regelungen verlangt. CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn kündigte an, Strafregelungen mit Bahr vor der Wahl angehen zu wollen. "Es geht nicht um einen Generalverdacht, aber jeder einzelne Fall erschüttert das Vertrauen der Patienten."

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SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte: "Das ist ein Etikettenschwindel." Abschreckende Wirkung und mehr Verbraucherschutz brächten die Pläne nicht. "Die relativ wenigen Ärzte, die sich der Korruption schuldig machen, würden nur durch eine strafrechtliche Verfolgung abgeschreckt." Bei einer Änderung im Sozialgesetzbuch allein hingegen müsste einer Krankenkasse Schaden entstanden sein. "Von der Verfolgung durch die AOK aufgrund einer Regelung im Sozialgesetzbuch hat niemand Angst", sagte Lauterbach.

Krankenkassen loben Vorstoß

Die Linke-Expertin Martina Bunge hingegen betonte, es sei hohe Zeit, "dass der Gesundheitsminister bei der Problematik Korruption umdenkt". Sie sagte: "Nun bleibt abzuwarten, ob das Gesetz kein Papiertiger wird."

Die Kassen lobten den Vorstoß. "Die Initiative von Daniel Bahr ist ein Segen für die Patienten und alle seriös arbeitenden Menschen im deutschen Gesundheitswesen", sagte der Vizechef des AOK-Bundesverbands, Uwe Deh. Schmiergeldzahlungen seien auch ein Gesundheitsrisiko für Patienten, wenn Behandlungen beeinflusst würden. Auch Gernot Kiefer, Vorstand des Kassen-Spitzenverbands, begrüßte die Pläne. Besorgniserregend sei aber, dass nur besonders schwere Verstöße geahndet werden sollten. "Ein bisschen korrupt gibt es ebenso wenig wie ein bisschen schwanger."

Staatsanwaltschaft ermittelt in 2600 Fällen

Die Kassen verfolgten 2010 und 2011 zusammen rund 53 000 Verdachtsfälle von Betrug und Fehlverhalten, meist Abrechnungsbetrug. Betroffen sind Ärzte, Apotheker, Sanitätshäuser, Therapeuten, Hebammen, Krankengymnasten, Pflegedienste oder Kliniken. Ermittlungen mehrerer Kassen zu einem Sachverhalt wurden als mehrere Fälle gezählt.

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In gut 2600 Fällen ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Betrug, Untreue, Vorteilsannahme, Bestechlichkeit oder Bestechung. Die Ärztekammern leiteten in den vergangenen Jahren knapp 1000 Verfahren gegen Mediziner ein. In den meisten Ländern gab es auch Fälle, in denen Ärzte die Approbationen entzogen wurde. (dpa)