Berlin. Die gesetzlichen Krankenkassen haben in den Jahren 2010 und 2011 rund 53.000 Fälle von Fehlverhalten von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern und anderen Dienstleistern aus dem Gesundheitsbereich verfolgt. In 2600 Fällen sei die Staatsanwaltschaft unterrichtet worden, bestätigte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) . Meist geht es danach um Abrechnungsbetrug.

Rund 53 000 Fälle von Betrug und Fehlverhalten im Gesundheitswesen haben die Krankenkassen 2010 und 2011 verfolgt. Jetzt will Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den Weg für juristische Schritte gegen korrupte Ärzte ebnen.

Ermittlungen müssten stattfinden können, sagte Bahr vor hunderten Funktionären der Mediziner beim Neujahrsempfang der deutschen Ärzteschaft am Donnerstagabend in Berlin. Derzeit fehlen für umfangreiche Ermittlungen der Staatsanwälte gegen Ärzte die gesetzlichen Grundlagen.

Staatanwaltschaft ermittelt in gut 2600 Fällen

52 900 Fälle meist von Abrechnungsbetrug verfolgten die Kassen in den beiden Jahren, wie aus einem Bericht des Kassen-Spitzenverbands hervorgeht. Betroffen sind Ärzte, Apotheker, Sanitätshäuser, Therapeuten, Hebammen, Krankengymnasten, Pflegedienste oder Kliniken. Ermittlungen mehrerer Kassen zu einem Sachverhalt wurden als mehrere Fälle gezählt. Die Kassen hätten Schadenersatzforderungen von 41,4 Millionen Euro durchgesetzt.

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In gut 2600 Fällen ermittelte demnach die Staatsanwaltschaft: Hierbei ging es um den Verdacht auf Betrug, Untreue, Vorteilsannahme, Bestechlichkeit oder Bestechung. Erstmals wurden in dem Bericht die Meldungen der kasseneigenen Ermittlungsstellen zusammengefasst. Laut ""Frankfurter Allgemeiner Zeitung" hält Bahrs Ministerium den Bericht unter Verschluss.

Bahr: Ärzte dürfen nicht dem Wohl eines Unternehmens verpflichtet sein

Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für 2011 exakt 2876 derartige Betrugsfälle auf. Das ist gegenüber 2009 mit 4760 Fällen einen Rückgang um 40 Prozent; 2010 waren es 3790 Fälle. Bahr sagte auf dem Medizinerempfang, Ärzte dürften nicht dem Wohl eines Unternehmens verpflichtet sein. Selbst wenn es nur wenige Fälle von Korruption seien, sei dies doch Anlass, etwas zu tun. Die Prüfung möglicher neuer Regeln brauche aber noch Zeit.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, sagte zur Debatte über Ärztekorruption: "Ich finde diese Diffamierungskampagne nach dem Motto, wenn ein Arzt stiehlt, stehlen alle Ärzte, unerträglich." Ausschließlich auf Ärzte abzielende Regelungen im Strafgesetzbuch lehnte Köhler ab - anders als Präzisierungen im Sozialgesetzbuch etwa zu Zuwendungen an Ärzte. "Das heißt ganz klar, dass diejenigen, die sich nicht korrekt verhalten, auch geahndet werden."

Korruption niedergelassener Ärzte nicht strafbar

Der Bundesgerichtshof hatte vor einem halben Jahr entschieden, dass Korruption niedergelassener Ärzte nach geltendem Recht nicht strafbar ist - etwa die Annahme von Zuwendungen für die Verordnung bestimmter Arzneimittel. Der Ruf, hier eine Gesetzeslücke zu schließen, war zuletzt lauter geworden.

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Der Bundespatientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU) sagte den Zeitungen der WAZ Mediengruppe: "Noch in diesem Monat muss etwas passieren, sonst wird es schwierig, strengere Gesetze noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen." Korrupten Medizinern müsse die Zulassung entzogen werden können. Verstöße sollten künftig als Straftat gelten und Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sein können.

Knapp 1000 Verfahren gegen Mediziner in den vergangenen Jahren

Bahr sagte, Ärzte sollten auch künftig nicht als Angestellte der Krankenkassen gelten dürfen. Für angestellte Ärzte gibt es schon heute andere Regeln als für die freiberuflichen Praxisärzte. Die Ärztekammern leiteten in den vergangenen Jahren knapp 1000 Verfahren gegen Mediziner ein. Die Konsequenzen können Strafen von bis zu 50 000 Euro sein. Auch die Approbation kann entzogen werden - aber nur von Regierungspräsidien und Bezirksregierungen.

Die Linke-Gesundheitsexpertin Martina Bunge kritisierte, "dass Ärztinnen und Ärzte, Pharmakonzerne und andere Beteiligte gar kein Unrechtsbewusstsein haben, wenn Gefälligkeiten, Geld oder andere Vorteile ausgetauscht werden". (dpa/dapd)