Washington. “Demokratieexport mit der Brechstange“, so hat die New York Times einmal den militärischen Einsatz der USA im Irak genannt. Er ist gescheitert: Von “Mission erfüllt“, wie George W. Bush einige Wochen nach Kriegsbeginn verkündete, ist auch zehn Jahre später nichts zu spüren.
"Ich tat, was ich tat. Und ich habe ein sehr gutes Gefühl dabei. Ich würde es sofort wieder tun, wenn ich es müsste." Die Sätze, die Dick Cheney ohne mit der Wimper zu zucken am Ende einer frisch ausgestrahlten Film-Biographie über sich selber sagt, ließen viele Beobachter frösteln.
Der Reporter hatte den früheren amerikanischen Vizepräsidenten gefragt, ob der Irak-Krieg ein Fehler war. Einer der mächtigsten Architekten des am 20. März vor zehn Jahren gestarteten Militäreinsatzes verweigert sich noch immer der Fehleranalyse.
Dabei weiß in den USA inzwischen jeder Achtklässler, dass George W. Bushs eitler "Mission erfüllt"-Auftritt nur 41 Tage nach Kriegsbeginn auf dem Flugzeugträger Abraham Lincoln vor San Diego ("Im Kampf um den Irak haben die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten den Sieg davongetragen") nicht den "geringsten Test vor der Geschichte besteht", wie dieser Tage Kommentatoren großer US-Zeitungen übereinstimmend feststellen.
Der Hauptkriegsgrund erwies sich als schlicht erlogen
Bush selbst hatte 14 Monate vor den ersten Bomben auf Bagdad den historischen Begriff von der "Achse des Bösen" geprägt, womit Iran, Nordkorea und Irak gemeint waren, und damit den Krieg vorweggenommen.
Der vom damaligen Außenminister Colin Powell in einer denkwürdigen UN-Sicherheitsratssitzung mit Hilfe von Dias und Satellitenaufnahmen vorgetragene Hauptkriegsgrund - Massenvernichtungswaffen und El Kaida-Terrornester - erwies sich später nach Befragen von 1000 Experten durch die zuständigen Ausschüsse des Kongresses als konstruiert bis schlicht erlogen.
George Bush Junior
1/28
Fragwürdige, widersprüchliche Geheimdiensterkenntnisse, so bereits ein offizieller Befund aus dem Jahr 2004, wurden zu einem "Bedrohungsbrei" verrührt. Tatsache wahr: Weder kooperierte Bagdad mit Anhängern von Osama Bin Laden, noch hatte der Irak Massenvernichtungswaffen.
Wer vor 2003 Zweifel an der Belastbarkeit der Indizien vorbrachte und sich dem Einsatz verweigerte, wurde in den USA als Landesverräter und Feigling abgestempelt oder, wie es stellvertretend der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder geschah, als "altes Europa" links liegen gelassen.
Der Irak ist auch heute keine Demokratie
Aber nach der zügigen Einnahme Bagdads ging der Krieg erst richtig los. Befeuert von US-Entscheidern wie Paul Bremer, der Hunderttausende irakische Lehrer, Ärzte, Soldaten und andere Staatsbedienstete entließ und sie den religiös motivierten Milizen förmlich in die Arme trieb.
Deren Guerilla-Attacken mit Scharfschützen-Angriffen, Autobomben und am Straßenrand vergrabenen Sprengladungen ließen die US-Truppen schier verzweifeln, bis 2007 unter General Petraeus vorübergehend noch mehr Soldaten aus Amerika das Land provisorisch befriedeten.
Der Irak ist bis heute nicht die Demokratie geworden, von der die neokonservativen Falken Wolfowitz, Rumsfeld und Cheney träumten. Der von Washington angeordnete Regime-Austausch, "Demokratie-Export mit der Brechstange", wie die New York Times einmal schrieb, lief ins Leere.
Auch weil ein durchdachtes Nachkriegs-Szenario inklusive ausreichender Budgets für den Wiederaufbau nie existierte. Unverhältnismäßiges und ungerechtes Handeln der US-Truppen - Sinnbild: der Folterknast Abu Ghraib - hat nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen das Misstrauen der Bevölkerung gegen die Besatzer zusätzlich geschürt.
Iraks Präsident Maliki steht unter dem permanenten Verdacht der Überforderung. Und Iran-Kumpanei. Entlang der ethnischen-religiösen Trennlinien zwischen Sunniten und Schiiten, deren Bedeutung Präsident Bush erst weit nach Kriegsbeginn zu verstehen begann, wird weiter jeden Tag gestorben.
"Miserable Entscheidung, miserabel umgesetzt"
Katastrophale Infrastruktur und eine unterentwickelte Zivilgesellschaft behindern die wirtschaftliche Entwicklung, inklusive des Ausbaus des potenziell lukrativen Ölgeschäfts. Allein in den kurdischen Gebieten des Nordens stellen UN-Inspekteure so etwas wie Stabilität und zaghaftes Wachstum fest.
Der Sturz des Diktators Saddam Husseins führte zudem weder zur Demokratisierung der Region, noch hat er den arabischen Frühling mit austreiben lassen. Das geschah in Tunesien. Das benachbarte Mullah-Regime in Teheran ist nach dem Eingriff der "Koalition der Willigen" alles andere als geschwächt. "Im Gegenteil", so CNN-Experte Fareed Zakaria, "Iran hat mehr Einfluss denn je im Irak".
Unterwegs im Nordirak
1/25
Richard Haas, damals hoher Beamter im Außenministerium und heute Präsident des renommierten "Council on Foreign Relation", bilanziert den im Dezember 2011 mit dem Abzug der letzten Soldaten von Präsident Obama offiziell beendeten Krieg nüchtern als eine "miserable Entscheidung, die miserabel umgesetzt wurde".
Leidtragende sind viele der 1,5 Millionen Soldatinnen und Soldaten, die während der knapp neun Jahre währenden Besetzung durch das Land zwischen Euphrat und Tigris rotiert sind. Stellvertretend für viele: Tammy Duckworth. Die heute 44-Jährige kreiste 2004 als Pilotin eines Blackhawk-Kampfhubschraubers über Bagdad, als eine Rakete unter ihr einschlug.
Nach Dutzenden Operationen fand die Tochter eines US-Armeeveteranen aus dem Zweiten Weltkrieg und einer in Thailand geborenen Mutter zurück ins Leben. Seit vergangenem November sitzt sie als die erste doppelt amputierte Kongressabgeordnete für die demokratische Partei im Parlament und verkörpert Obamas tief sitzende Zurückhaltung vor künftigen militärischen Interventionen.
Duckworth, einst im Ministerium für Veteranen angestellt, beziffert die Folgekosten allein für die Betreuung der verletzten und traumatisierten Soldaten bis zum Jahr 2050 auf rund 1000 Milliarden Dollar.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.