Rom. . 115 Kardinäle werden einen von ihnen zum nächsten Papst wählen. Doch sie kennen sich untereinander kaum und die Zeit der großen Lager im Konklave ist auch vorbei. Daher ist die Liste der Anforderungen an den Neuen nicht sehr lang. Gesucht wird ein spiritueller Manager mit Autorität für Reformen.
Hundertfünfzehn Kardinäle suchen ab Dienstag (12. März) einen Papst. Hundertfünfzehn waren es auch bei der Wahl Joseph Ratzingers im April 2005 – in 2000 Jahren Geschichte war schon dies das größte Konklave. Die Kirchenfürsten aus aller Welt aber, die nun in Rom zusammengeströmt sind: Kennen sie sich überhaupt gegenseitig?
Wenig, sagen sie selbst. So viele neue Gesichter! Aus der Wahlmannschaft von 2005 sind nur fünfzig Kardinäle auch diesmal dabei. Fast zwei Drittel sind also Konklave-Neulinge. Erst Benedikt hat sie zu Kardinälen ernannt, und nicht nur US-Amerikaner im Kollegium geben freimütig zu, dass sie ohne Google und Wikipedia von den anderen nur herzlich wenig wüssten.
Die Schlachtrufe sind Vergangenheit
Selbst Vatikan-Insider tun sich schwer, Gruppierungen, Konfliktlinien oder Konsens-Chancen unter den Kardinälen ausfindig zu machen. Verworren, sagt man selbst in deren Kreisen, sei die Lage. Weichgespült seien alle innerkirchlichen Konflikte. Hier die Befreiungstheologie, da Ratzinger – ein Schlachtruf aus vergangenen Zeiten. Links-rechts, konservativ-progressiv: in diesem Kardinalskollegium sind solche Unterscheidungen schwammig geworden – jedenfalls in dem Sinn, dass es keine dazugehörigen Parteien, keine Flügel mehr gibt, die als solche greifbar wären und gegeneinander anträten.
Wenn überhaupt, dann hat die Auseinandersetzung mit den ultrakonservativen Piusbrüdern die Kardinäle etwas polarisiert: Die Traditionalisten sind lauter geworden. Aber von den Kardinälen, die sich bisher zu Wort meldeten, hat keiner derartige Positionen auch nur ansatzweise vertreten.
Keinen Professor, sondern einen Chef
„Wir brauchen einen Mann aus der Mitte“, sagen selbst Mitglieder der Kurie im Vatikan: „Extreme haben keinen Sinn.“ Und vielleicht auch nicht gleich wieder einen „Professor Papst“ wie Benedikt: „Theologisch ist in den letzten dreißig Jahren genug erreicht und im doppelten Sinn des Wortes festgehalten worden“, heißt es. „Wir brauchen einen Mann, der regiert.“
Im Grunde ist die Wahl so offen wie die Situation: Jeder will die Kirche erneuern – und jeder versteht etwas anderes darunter.
Viele Europäer sind für einen Lateinamerikaner
Wenig Aufschluss gibt auch die landsmannschaftliche Zusammensetzung des Konklave. Lateinamerikaner halfen 1978 einem Italiener auf den Thron: Albino Luciani, Johannes Paul I. Heute scheint es eine starke Reihe von Europäern zu geben, die einen Lateinamerikaner wählen würden – allein um nachzuvollziehen, was sich bei der Entwicklung der Katholikenzahlen schon lange abspielt: die Schwerpunktverlagerung von Europa in Richtung Südhalbkugel.
Waren europäische Kardinäle 1978 bei der Wahl Johannes Pauls II. erstmals in der Unterzahl, wenn auch nur um eine Stimme, so hatte sich das im Konklave 2005 schon wieder gedreht, und heute dominieren dank der Personalpolitik Benedikts die Europäer mit fünf Stimmen Vorsprung gegenüber dem Rest der Welt.
Der Personenkult muss weniger werden
Gesucht wird also weniger eine kirchenpolitische Richtung als eine Persönlichkeit. Eine, zu der alle aufschauen, die aber nicht zu sehen ist. Ein „spiritueller Manager“, der die nötige Autorität für interne Reformen hat, gleichzeitig aber jenen Kult um die Person des Papstes abbaut, der zunehmend das Bild der katholischen Kirche verzerrt. Das heißt: Der Neue muss als Person hinter seinem Werk, hinter seiner Kirche eher verschwinden.