Düsseldorf. . NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) fordert einen Rechtsanspruch für Mütter in Teilzeit zur Rückkehr auf eine Vollzeitstelle. Vor dem Weltfrauentag an diesem Freitag drängte die Regierungschefin die Privatwirtschaft, sich an den Regelungen im öffentlichen Dienst zu orientieren.

Frauen sind politisch mächtiger denn je, im Job und beim Gehalt bleiben sie dagegen oft hinter den Männern zurück. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) erklärt im Interview mit Wilfried Goebels, wie die Politik darauf reagieren soll.

Frau Ministerpräsidentin, Frauen verdienen immer noch durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer – trotz häufig guter Ausbildung. Wie kann die Benachteiligung beendet werden?

Hannelore Kraft: Indem wir das gesetzlich regeln. Die SPD will endlich die Lohndiskriminierung von Frauen beenden. Deshalb hat unsere Bundestagsfraktion als erste überhaupt im Mai 2012 ein Entgeltgleichheitsgesetz vorgelegt.

Das Armutsrisiko alleinerziehender Frauen ist fünfmal höher als das von Haushalten mit zwei Erwachsenen ohne Kinder. Wird die Erziehung von Kindern ausreichend bei der Rente berücksichtigt?

Kraft: Wer das Armutsrisiko senken möchte, muss für Frauen und Müttern vor allem den Zugang zu existenzsichernder Beschäftigung gewährleisten und ihnen berufliche Entwicklungschancen geben. Faire Arbeitsbedingungen gehören zwingend dazu. Es ist richtig, bei der Rentenberechnung auch Zeiten zu berücksichtigen, in denen ein Elternteil oder beide Eltern wegen der Kindererziehung nicht oder nur in geringerem Maße arbeiten können. In welchem Umfang dies geschehen kann, hängt auch von den finanziellen Auswirkungen ab.

Das Potenzial gut ausgebildeter Frauen sichern

Brauchen wir eine „Mütterquote“ in Verwaltungen und Betrieben?

Kraft: Wir brauchen keine Mütterquote, sondern müssen es schaffen, dass Arbeit und Familie besser miteinander vereinbart werden können. Immer mehr Unternehmen setzen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels zunehmend auf eine familienfreundliche Personalpolitik. Sie wissen, wie wichtig es ist, das Potenzial gut ausgebildeter Frauen zu sichern. Ich würde mir wünschen, dass diese Entwicklung noch schneller geht.

Frauen mit Kindern arbeiten häufig in Teilzeit. Halten Sie einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in eine Vollzeitbeschäftigung für sinnvoll?

Kraft: Ja, die rechtlichen Möglichkeiten, von Teilzeit in Vollzeit zu wechseln, oder die Arbeitszeit nach und nach wieder aufzustocken, sollten auch für Beschäftigte in der Privatwirtschaft verbessert werden. Die Wirtschaft sollte ähnliche Regelungen schaffen wie wir dies in NRW für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit dem Landesgleichstellungsgesetz getan haben. Zum ei­nen ist es wichtig, die Teilzeit zu befristen. Zum anderen muss es möglich sein, auch vorzeitig wieder mehr Stunden zu arbeiten oder ganz auf Vollzeit zurückzukehren, z.B. wenn sich durch Scheidung oder Arbeitslosigkeit des Partners die Verhältnisse ändern. Diese Option nützt im Übrigen nicht nur den Frauen, sondern kann auch wesentlich zur Fachkräftesicherung beitragen.

Ein Appell für die Frauenquote

Nur knapp vier Prozent der Vorstandsposten in den Top-200-Unternehmen in Deutschland sind mit Frauen besetzt. Was tun, Frau Kraft?

Kraft: Alle Appelle zur freiwilligen Frauenförderung hat die Wirtschaft bei den Top-Jobs ignoriert. Auch deshalb brauchen wir eine Quote. Wir brauchen mehr Frauen in den Aufsichtsräten. Aber wir brauchen in den Firmen auch qualifizierten, weiblichen Nachwuchs von unten. Nordrhein-Westfalen fördert deshalb schon seit Jahren Mentoringprogramme für junge ambitionierte Frauen aus der Wirtschaft, damit diese auf dem Weg nach oben nicht an der gläsernen Decke steckenbleiben.