Berlin. . Der Abstand zwischen Reichen und Bedürftigen wird immer größer. Die Vermögen sind in Deutschland zunehmend ungleich verteilt. Das ist ein zentraler Befund des neuen Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Für Schwarz-Gelb ist die Lage aber nicht sehr dramatisch. Die Opposition spricht hingegen von „Schönfärberei“.

Deutschland ist ein reiches Land, aber der Reichtum ist zunehmend ungleich verteilt: Die privaten Vermögen haben sich zwar innerhalb von 20 Jahren mehr als verdoppelt – der unteren Hälfte der bundesdeutschen Haushalte aber gehört davon nur noch ein minimaler Teil.

Das ist ein zentraler Befund des neuen Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung, den das Kabinett am Mittwoch beschloss. 1998 besaß demnach die untere Hälfte der Haushalte noch drei Prozent der privaten Nettovermögen - nur zehn Jahre später ist der Anteil auf ein Prozent geschmolzen. Umgekehrt verfügten die obersten zehn Prozent der Haushalte 1998 über 45 Prozent des Vermögens, heute gehören ihnen schon 53 Prozent.

Vermögen „sehr ungleich verteilt“ - dieser Satz fehlt

Die Regierungs-Zahlen sprechen für sich, in einem ursprünglichen Berichtsentwurf hatte die federführende Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) aber noch die explizite Bewertung hinzugefügt, die Vermögen seien „sehr ungleich verteilt“. Dieser Satz fehlt nun - auf Drängen der FDP-Minister im Kabinett.

Solche Änderungen sind es, die Opposition und Sozialverbände am Mittwoch mit größtmöglicher Empörung als „Schönfärberei“ und „Täuschung“ anprangerten. Von der Leyen wies die Vorwürfe als „Legendenbildung“ zurück. „Die ungleiche Vermögensverteilung ist eine Tatsache“, sagte sie mit Blick auf die vorgelegten Zahlen, und in dem Bericht sei überhaupt viel weniger geändert worden als jetzt behauptet. Ohne jeden Ersatz gestrichen ist im 550-Seiten-Konvolut auf Druck der FDP demnach der Satz, eine zunehmende Einkommensspreizung verletze das Gerechtigkeitsempfinden der Bürger.

Einkommensschere nicht noch weiter geöffnet

Von der Leyen bekräftigte zwar auch diese Aussage, ihre Botschaft war nun aber eine ganz andere: „Wir stehen heute im internationalen Vergleich sehr gut da“, befand sie. Die Zahl der Kinder, die von Hartz IV leben müssten, sei in den vergangenen vier Jahren deutlich gesunken, die Langzeitarbeitslosigkeit sei gesunken.

Zwar habe sich die Schere zwischen niedrigen und hohen Einkommen bis 2005 geöffnet - seitdem sei die Lücke aber nicht größer geworden, zuletzt habe sie sich sogar dank guter Tarifabschlüsse und verbesserter Beschäftigungslage wieder etwas verkleinert. Niedrige Einkommen hätten davon besonders profitiert.

Andrea Nahlews (SPD) spricht von einer „Fälscherwerkstatt“ des Kabinetts

Die Zahlen zur Einkommensentwicklung waren erst im Oktober 2012, nach Fertigstellung eines ersten Berichtsentwurfs, vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin vorgelegt worden. Auch diese Daten der deutschen Top-Verteilungsexperten haben nun den Akzent des Regierungsberichts verändert.

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Dennoch finden sich auch viele kritische Befunde: Von Armut bedroht sind immer noch 14 bis 16 Prozent der Bundesbürger. Die „unverhältnismäßige“ Ausbreitung von Niedriglohn-Beschäftigung, die nicht mehr ausreiche, um den Lebensunterhalt in Vollzeit zu sichern, „ist kritisch zu sehen“, erklärt die Regierung. Handlungsbedarf sah von der Leyen nun vor allem beim Kampf gegen Altersarmut, bei der Qualifizierung jugendlicher Arbeitsloser und verstärkter Vollzeitbeschäftigung von Frauen, um Armutsrisiken zu senken.

Opposition und Sozialverbände kritisierten den Bericht. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nannte das Kabinett eine „Fälscherwerkstatt“. Der DGB sprach von einem Armutszeugnis, weil es trotz sinkender Arbeitslosigkeit mehr Armut gebe.