Düsseldorf. . Die türkischstämmige Cemile Giousouf (34) tritt in Hagen an und erkämpfte sich einen aussichtsreichen Listenplatz in NRW. Für die Christdemokraten ist dies eine „kleine Revolution“. Dass sie als Direktkandidatin im Hagener Wahlkreis nominiert wurde, hatte nicht zuletzt strategische Gründe.

Cemile Giousouf betritt Neuland: Als erste Muslima könnte die 34-jährige Politologin nach der Bundestagswahl in die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einziehen. Der Landesvorstand der NRW-CDU hat gestern die Basis für eine „kleine Revolution“ gelegt und die türkischstämmige Hagener Kandidatin mit Listenplatz 25 aussichtsreich nominiert.

Die junge Frau weiß, dass nicht wenige ältere CDU-Mitglieder kräftig durchatmen müssen, weil die christliche Partei eine Muslima nach Berlin schicken will. „Ich bin in erster Linie CDU-Politikerin und mache keine Religionspolitik“, stellt Giousouf im Gespräch klar. In Deutschland als Tochter von Eltern einer türkischen Minderheit in Griechenland geboren, will die Referentin im NRW-Integrationsministerium die große Gruppe der Zuwanderer ansprechen und deren Interessen in der Partei erläutern.

Religion ist für Cemile Giousouf Privatsache. Trotzdem war sie nicht überrascht, dass die Frage nach der Religion vor ihrer Nominierung ei­ne bedeutende Rolle gespielt hat. Die Politikerin verändert die CDU – da bleiben Vorbehalte nicht aus. Landeschef Armin Laschet, der ­Giousouf schon früh gefördert hat, hält aber Kurs: „Die CDU will offen sein für alle, die sich zu unseren Grundsätzen bekennen.“ Laschets Mantra: Nur so bleibt die Union Volkspartei.

Union will Flagge zeigen

Dass die junge Muslima aus Aachen als Direktkandidatin im Hagener Wahlkreis für die Bundestagswahl nominiert wurde, hatte nicht zuletzt strategische Gründe. Hagen ist mit einem Anteil von 23 Prozent die Stadt mit dem höchsten Anteil an Zuwanderern in NRW. Weil die Direktwahl im „roten Hagen“ kaum wahrscheinlich ist, setzt die Partei die Kandidatin auf die Landesliste.

Menschen mit Zuwanderungsgeschichte werden zu einer immer wichtigeren Wählergruppe – da will die Union Flagge zeigen. Im CDU-Bundesvorstand arbeiten inzwischen vier Kandidaten mit Migrationshintergrund, auch im NRW- Landtag sitzt mit Serap Güler eine türkischstämmige Abgeordnete.

Seit 2008 ist Cemile Giousouf Mitglied der CDU, seit 2012 auch im CDU-Landesvorstand. Sich selbst bezeichnet die junge Politikerin als „wertkonservativ“. Gerade aufgrund des „C“ im Parteinamen habe sie in der Union ihre Heimat gefunden. „Es ist die Achtung vor dem Schöpfer, die uns Christen und Muslime verbindet.“ Dass der Versuch der CDU, neue Wählerschichten unter Zuwanderern zu gewinnen, noch viel Überzeugungsarbeit bei den eigenen Mitgliedern erfordert, ist Cemile Giousouf dabei durchaus bewusst.

Studium mit Note 1,7 abgeschlossen

Die Eltern der CDU-Kandidatin waren vor 40 Jahren nach Deutschland gezogen und hatten in einer Fabrik in Leverkusen Arbeit gefunden. Dass die Tochter in Bonn Politologie, Soziologie und Islamwissenschaften studierte und mit der Note 1,7 abschloss, war ein wichtiger Meilenstein für die Integration. In den 20 Vorstellungsrunden an der CDU-Basis vor ihrer Nominierung hat Cemile Giousouf die Erfahrung gemacht, dass ihre Zuwanderungsgeschichte für die junge Generation kein Thema mehr ist. Sie sagt: „Die CDU hat im Bereich der Integrationspolitik wichtige Schritte gemacht. Aber wir werden auch gewählt wegen unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik.“

Vorbehalte älterer Mitglieder ge­genüber einer Muslima nimmt die Politikerin aber ernst. Kritiker will sie durch ihre politische Arbeit überzeugen.