Düsseldorf. Tierschützer könnten bald die Rechte der Tiere noch stärker vertreten: Im zuständigen NRW-Landtags-Ausschuss wird am Mittwoch der Entwurf zum Verbandsklagerecht diskutiert. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, haben ausgewählte Vereine bald die Möglichkeit als “Anwälte der Tiere“ tätig zu sein.
Neue Rechtslage für die Fürsprecher der Tiere: Wenn das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine in NRW verabschiedet werden sollte, wäre das nicht nur ein Signal für den Tierschutz in Nordrhein-Westfalen, sondern auch für ganz Deutschland. Die rot-grüne Landesregierung hat den Gesetzesentwurf über das „Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrecht für Tierschutzvereine“ eingereicht, am Mittwoch wird es im zuständigen Ausschuss diskutiert. Doch welche Konsequenzen kann es haben, wenn der Gesetzesentwurf nach der Anhörung im Ausschuss in einer der nächsten Plenarsitzungen verabschiedet wird? Wir beantworten für Sie die wichtigsten Fragen rund um das Thema.
Um was geht es?
Am besten lässt sich das Verbandsklagegesetz an einem fiktiven Beispiel erklären: Ein Tierhalter möchte einen Stall bauen, der nach Meinung der Tierschützer nicht dem Tierschutzgesetz entspricht. Beantragt der Tierhalter eine Genehmigung von der zuständigen Behörde und bekommt sie nicht, kann er dagegen klagen.
Tierschützern dagegen ist es derzeit nicht möglich, als „Anwalt der Tiere“ einzutreten und beispielsweise das Umweltministerium dazu aufzufordern, strengere Kontrollen beim Stallbau zu veranlassen. Sie haben also noch keine Möglichkeit, rechtlich gegen die zuständige Behörde vorzugehen. Dies soll sich mit dem Verbandsklagerecht ändern.
Für bestimmte Umwelt- und Naturschützer gibt es die Option einer Verbandsklage bereits seit dem Jahr 2000 in NRW - nun soll dies auch für Tierschutzvereine gelten. Im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird dieser Gesetzesentwurf nun diskutiert. Sachverständige, die zur Anhörung am Mittwoch eingeladen wurden, konnten vorher eine schriftliche Stellungnahme abgeben.
Christina Schulze Föcking, Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Ländliche Räume, hält nichts von der Verbandsklage: "Eine neues Gesetz macht nur dann Sinn, wenn es zur Weiterentwicklung des Tierschutzes wirklichen Regelungsbedarf gibt und zum anderen die Situation anschließend besser ist als zuvor. Beides ist aber beim Verbandsklagerecht nicht der Fall", sagt sie. "Dem Gesetz liegt schon die falsche Annahme zu Grunde, bislang seien die Rechte der Tiere nur unzureichend geschützt. Tierschutz steht seit zehn Jahren im Grundgesetz und ebenso in der Landesverfassung." Marius Tünte, Pressesprecher des Deutschen Tierschutzbundes, hält dagegen und verweist bei diesem Thema auf den Unterschied zwischen Theorie und Praxis: "Es bringt nichts, wenn Tierschutz im Grundgesetz verankert ist und dann nicht in der Praxis umgesetzt wird. Wir brauchen eine Handhabe, um auch rechtlich agieren zu können."
Was kann das neue Gesetz für Folgen haben?
Nicht nur nur landesweit, auch in ganz Deutschland hätte der Beschluss des Gesetzes eine Signalwirkung in Sachen Tierschutz. Bislang gibt es dieses Verbandsklagerecht nur in Bremen, aber auch in Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland ist es bereits ein Thema.
"Es ist für uns ein wichtiges Zeichen, wenn in einem Flächenland wie NRW diese Klagemöglichkeit möglich wäre", sagt Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund. Hinzu kommt, dass Fälle, die über dieses Gesetz entschieden werden, zu Präzedenzfällen werden können. "Verbandsklagen sind überdurchschnittlich erfolgreich", sagt Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Folgt jetzt eine Klagewelle von Tierschutzvereinen?
Diese Sorge scheint unbegründet. Dirk Jansen vom BUND spricht aus einer mehr als zehnjährigen Erfahrung mit dem Verbandsklagerecht im Bereich Umwelt- und Naturschutz: "Wir sehen, dass eine Klagewelle - wie anfangs von den Gegnern befürchtet - ausgeblieben ist. Das liegt daran, dass nur vom Land zertifizierte Vereine überhaupt die Möglichkeit haben, eine Verbandsklage einzureichen."
Diese ausgewählten Vereine müssen bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu gehören eine landesweite Tätigkeit, Erfahrung, die anerkannte Gemeinnützigkeit und eine ideelle Zielsetzung. So soll ein eventueller Missbrauch im Vorfeld eingedämmt werden. "Für uns als 'Anwälte der Natur' ist eine Klage auch immer die Ultima Ratio, also die letzte Möglichkeit, bessere Kontrollen einzufordern. Das Entscheidende ist die präventive Wirkung von diesem rechtlichen Instrument", so Jansen.
Und noch ein weiterer Grund spricht gegen eine Prozessflut: Die klagenden Verbände müssten Gerichts- und Anwaltskosten selbst tragen, wenn sie einen Fall verlieren würden. Und diese Kosten können sehr hoch sein. Auch das spricht dafür, dass die Vereine nur bei wirklich dringenden Anliegen den Weg zum Gericht suchen.
Welche Beispiele gibt es, bei denen das Verbandsklagerecht greifen könnte?
Auch hier hilft ein Gedankenspiel: Beim Bau eines Zoo-Geheges könnten Tierschützer zum Beispiel eine Verbandsklage erwirken, wenn die Betreiber des Zoos in Verdacht stehen, gegen geltendes Tierschutzrecht zu verstoßen. Zuständige Behörden könnten dann aufgefordert werden, das Vorhaben aus der Sicht des Tierschutzes zu überprüfen.
Oder wenn Kommunen darüber diskutieren, Tauben zu töten, weil diese die Stadt verschmutzen: Tierschützer hätten dann die rechtliche Handhabe, dieses Vorgehen prüfen zu lassen und somit "den Tieren eine Stimme zu geben". Dabei betont Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund die Klage nicht als ersten Schritt, sondern "als Möglichkeit zu reagieren, wenn die Behörden nichts machen."
Warum wird der Gesetzesentwurf erst jetzt diskutiert?
Der Gesetzesentwurf war schon einmal Thema im Landtag. Durch die vorgezogenen Neuwahlen im Mai 2012 musste der Entwurf noch mal durch die politischen Instanzen durch. Die rot-grüne Regierung hatte daraufhin den Gesetzesentwurf im Juli 2012 erneut eingereicht. Dieser Punkt war einer der Zielvereinbarungen im Koalitionsvertrag der Parteien. (jr)