Berlin. Jahrelang mussten die Angehörigen von ermordeten Kleinunternehmern türkischer oder griechischer Herkunft sich Verdächtigungen gefallen lassen. Bundespräsident Gauck empfängt am Montag die Familien der Opfer. Doch nicht alle Eingeladenen wollen auch kommen.

Vor dem Zusammentreffen von Bundespräsident Joachim Gauck mit Hinterbliebenen der Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU hat es offenbar weitere Absagen gegeben. Die Mandantinnen des NSU-Opferanwalts Yavuz Narin werden nach dessen Angaben nicht ins Schloss Bellevue nach Berlin kommen, wie der Radiosender MDR Info am Montagmorgen berichtete. In Anwesenheit von etwa 70 weiteren Hinterbliebenen hätten sie keine Möglichkeit, sich mit dem Bundespräsidenten detailliert auszutauschen, hieß es zur Begründung.

Narin vertrete die Angehörigen des ermordeten Griechen Theodorus Boulgarides. Bereits am Wochenende war bekannt geworden, dass die Schwester eines Ermordeten nicht an dem Treffen teilnehmen werde, weil sie ihre Anwältin nicht mitbringen dürfe.

Ombudsfrau zeigt Verständnis für die Kritik der Betroffenen

Gauck trifft am Montagmittag in Berlin mit den Familien der Opfer der Neonazi-Mordserie zusammen. In den vertraulichen Gesprächen im Schloss Bellevue will Gauck die Angehörigen unterstützen und ihnen seine Solidarität zeigen.

Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, Barbara John, zeigt Verständnis für die harte Kritik der Angehörigen an den Ermittlungsbehörden. "Die Hinterbliebenen haben jedes Recht, die von Fehlern strotzende Arbeit der Ermittler zu kritisieren und die politische Elite um Antworten zu bitten", sagte John den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". John nimmt ebenfalls an dem Treffen teil.

Sicherheitsbehörden "lenken von ihrem eigenen Versagen ab"

Die Bundesbeauftragte erinnerte daran, dass die Familien der Mordopfer zum Teil mehr als ein Jahrzehnt lang nicht als die unschuldig Geschädigten angesehen worden seien. "Man hat sie verdächtigt, selbst in diese Morde verwickelt zu sein. Vorhandene Spuren ins rechtsradikale Milieu wurden nicht ernsthaft verfolgt, stattdessen mussten sich die Angehörigen der Opfer rechtfertigen", sagte sie.

John erinnerte daran, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der offiziellen Gedenkfeier vor knapp einem Jahr noch rückhaltlose Aufklärung zugesagt habe. "Jetzt müssen die Angehörigen der Opfer erleben, wie die Sicherheitsbehörden mauern und versuchen, von ihrem eigenen Versagen abzulenken", beklagt die Beauftragte der Bundesregierung. Merkel will im April oder Mai mit den Familienangehörigen zusammentreffen.

Dem Neonazi-Trio werden zehn Morde zwischen den Jahren 2000 und 2007 zugerechnet - an neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie an einer Polizistin. Jahrelang war der rechtsterroristische Hintergrund der Morde nicht erkannt worden. Stattdessen war im Umfeld der Opfer nach den Tätern gesucht worden. (dpa/dapd)