Düsseldorf/Köln.. Angeblich ordnete das NRW-Innenministerium an, den Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße 2004 nicht als fremdenfeindlichen „terroristischen Anschlag“ einzustufen. Die CDU spekuliert darüber, dass es aus Angst vor einer Terrordebatte geschehen sei.

Die Affäre um ­Fehler und Pannen der NRW- ­Sicherheitsbehörden nach der ­Anschlagserie der Zwickauer ­Terrorzelle spitzt sich weiter zu. Schon kurz nach dem Bombenschlag im Juni 2004 in der Kölner Keupstraße hegten „Profiler“ des Landeskriminalamtes den Verdacht, dass Rechtsextremisten aktiv waren. Im NRW-Innenministerium wurden die Warnungen ignoriert. Mehr noch: Es gab die klare Ansage, die Bombenattacke nicht als „terroristischen Anschlag“ einzustufen.

Das WDR-Magazin „Westpol“ ­berichtete über Unterlagen, wonach das Ministerium keine Anzeichen für eine fremdenfeindliche Tat sah und die Ermittlungen in Richtung Bandenkriminalität richtete. Eine „fatale Fehleinschätzung“, wie auch Ex-Innenminister Fritz Behrens (SPD) vor dem Untersuchungsausschuss zur Klärung der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eingeräumt hatte.

Kompetenzgerangel

Den Vorwurf, dass damals Erkenntnisse über einen fremdenfeind­lichen Hintergrund systematisch verschwiegen wurden, weist der Sprecher der Kölner Polizei, Wolfgang Baldes, allerdings zurück. „Wir haben Fremdenfeindlichkeit bei den Ermittlungen nicht ausgeblendet.“ Auf einer Pressekonferenz in Köln am 30. Juli 2004 hatte Oberstaatsanwalt Rainer Wolf eine ausländerfeindliche Tat ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Dass eine ­organisierte Terrorgruppe hinter der Tat stand, hielt Wolf aber damals für wenig wahrscheinlich.

Dem NSU-Terrortrio werden neben dem Anschlag auf die Kölner Keupstraße mit 22 Verletzten zehn fremdenfeindliche Morde zugeschrieben. Der CDU-Obmann im NSU-Ausschuss, Clemens Binninger, spekuliert darüber, dass die NRW-Behörden 2004 eine öffent­liche Debatte über einen fremdenfeindlichen Terroranschlag mitten in Köln vermeiden wollten. Bei Terrorverdacht hätte zudem der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich gezogen. Das Kompetenzgerangel im Sicherheitsbereich zwischen Bundes- und Landesbehörden ist legendär.

Rechtsextremes Motiv lag nahe

Aus Sicht der Polizeibehörden reichten nach dem Kölner Anschlag die Ermittlungsansätze für eine Tat von Rechtsextremisten nicht aus. Kritiker wenden jedoch ein, dass die Behörden der NSU-Bande niemals so nah gewesen seien wie im „Fall Keupstraße“. Schließlich hatten ­Experten des Bundesverfassungsschutzes Parallelen zu einem Sprengstoffanschlag in London entdeckt, den Rechtsextremisten begangen hatten. Aber auch diese Spur wurde wohl nicht mit Nachdruck verfolgt.

Die Fahnder gingen ­dagegen Gerüchten um einen Konflikt zwischen türkisch- und kurdischstämmigen Ladenbesitzern in der Keupstraße nach. ­Ergebnislos, wie sich später zeigte. Dabei lag ein rechtsextremes Motiv durchaus nahe: Auf der Keupstraße lebten vor allem türkischstämmige Anwohner. Außerdem hätte die vor einem Friseur­geschäft abgestellte Nagelbombe wahllos Menschen getroffen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Verfassungsschützer längst vor Rechtsterroristen in Deutschland gewarnt und das Zwickauer Trio benannt.

Ex-Innenminister Behrens hatte in der vergangenen Woche im NSU-Ausschuss konkrete persönliche Versäumnisse bestritten. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Landtags (PKG) will am Donnerstag in geheimer Sitzung über die Fehler bei der Verfolgung der Neonazis nach den Morden beraten. Abschließend wird der Landtag in einer Aktuellen Stunde debattieren. Interne Unterlagen des Ministeriums und alle Schreiben liegen dem Berliner NSU-Untersuchungsausschuss vor.

Staatsakt3000 Spuren

Das NRW-Innenministerium verweist darauf, dass die Polizei damals mehr als 3000 Spuren verfolgt habe. Die Opposition ist deshalb überrascht, dass Behrens dennoch einen rechtsterroristischen Anschlag frühzeitig ausschließen wollte. Im Ministerium konnte sich damals ­offenbar niemand vorstellen, dass eine rechtsextreme Mörderbande ihre blutige Spur durchs Land zog.