Berlin. . “Ägypten wird ein Rechtsstaat sein, ein ziviler Staat, der nicht militärischer und theokratischer Natur ist“, versicherte Ägyptens Präsident Mohammed Mursi im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. Man arbeite an einem Staat, der “Meinung und Gegenmeinung sowie einen Machtwechsel zulässt“. Doch es bleiben Zweifel.
Er wirbt um Vertrauen für seine Politik und um finanzielle Hilfe für sein Land, das immer mehr im Chaos versinkt: Ägyptens Präsident Mohammed Mursi traf sich am Mittwoch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Wie sehr kann der Westen auf Mursi setzen? Auf einen Mann, der seit seinem Amtsantritt vor gut einem halben Jahr Ägypten politisch in eine so tiefe Spaltung getrieben hat, dass eine Versöhnung ebenso weit entfernt scheint wie eine wirtschaftliche Erholung.
Das Versprechen
Präsident Mursi hat in Berlin versichert, dass er demokratische Reformen in seinem Land vorantreiben will. „Ägypten wird ein Rechtsstaat sein“, sagte er nach seinem Treffen mit der Kanzlerin. Ägypten werde ein Staat sein, „welcher Meinung und Gegenmeinung zulässt“.
Die Zweifel
Doch es bleiben erhebliche Zweifel. Nach kurzer Zeit im Präsidenten-Amt riss Mursi per Dekret so weitgehende Vollmachten an sich, wie sie selbst sein autoritärer Vorgänger Hosni Mubarak nicht besaß. Er boxte eine höchst umstrittene neue Verfassung durch. Nicht nur Liberale fürchten, dass der Muslimbruder Mursi das Land in eine islamistische Republik verwandelt. Tatsache ist: Bisher hat sich der Präsident eher als Spalter denn als Versöhner profiliert.
Merkels Mahnung
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Mursi unter dem Eindruck der Unruhen in seinem Land zur Einhaltung der Menschenrechte auf. Sie sagte, für die Bundesregierung sei es wichtig, dass zu allen politischen Kräften ein Gesprächsfaden vorhanden sei und dass diese ihren Beitrag leisten könnten, dass die Menschenrechte in Ägypten eingehalten würden und die Religionsfreiheit gelebt werden könne. Aus ihrer Sicht sei eine gute, gedeihliche Wirtschaftsentwicklung ein Beitrag für stabile politische Verhältnisse.
Wirtschaft liegt am Boden
Um Ägyptens Wirtschaft steht es schlecht. Jedes Jahr wächst die Bevölkerung am Nil um 1,5 Millionen Menschen. Derzeit sind es rund 81 Millionen Ägypter. Die Wirtschaft müsste mindestens um acht Prozent wachsen, um genug Jobs für die jährlich 800 000 Schulabgänger bereitstellen zu können. Doch die Lage ist dramatisch. Die meisten Bürger haben ihre Reserven aufgebraucht. Immer mehr Fabriken schließen, Hotels und Badeanlagen stehen leer. Fast jeder zweite Ägypter lebt unter der Armutsgrenze von zwei Dollar pro Tag.
Berlin wartet ab
Ägypten, nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien der drittgrößte Handelspartner Deutschlands in der arabischen Welt, erhofft sich materielle Hilfe von Berlin. Doch konkrete Ergebnisse gab es gestern keine. Auch die größte Hoffnung der Ägypter – zusätzliches Geld aus Deutschland – erfüllte sich nicht.
Jetzt schon steht Ägypten in Deutschland mit 2,5 Milliarden Euro in der Kreide – wenn auch aus Zeiten, mit denen Mursi nichts zu tun hatte. Voriges Jahr, als es mit der Demokratiebewegung gerade einmal aufwärts ging, hatten die Deutschen zwar einen Schuldenerlass von 240 Millionen Euro versprochen. Aber angesichts der jetzigen Zustände will man in Berlin davon nichts mehr wissen. Allenfalls eine kleinere Tranche, etwa 30 Millionen, so heißt es, könnte zur Umwandlung freigegeben werden.
Auf Eis liegen auch 350 Millionen Euro Entwicklungshilfe. Auch Mursis Besuch hat nichts daran geändert. Angela Merkel will offenbar abwarten, wie weit die Versprechen des Präsidenten tragen.