Berlin. . Miese Stimmung in der Truppe: Die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie macht vielen Soldaten das Leben schwer. Dies hat der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, beklagt. Er warnte vor Nachwuchsproblemen, wenn die Bundeswehr nicht attraktiver wird.
70 Prozent der Soldaten sind Berufspendler. Ihre Familie sehen sie nur am Wochenende. Die Folge: Eine überdurchschnittliche Scheidungsrate. Den Trend hat die Bundeswehrreform verstärkt, wie der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus gestern in Berlin beklagte. Der FDP-Politiker wünscht sich eine bessere Kinderbetreuung und dass Soldaten die Chance haben, in Elternzeit zu gehen.
Im Argen liegt nicht nur die Familienbetreuung. Die Stimmung sei generell „gedrückt“. Da überrascht es nicht, dass sich weniger Frauen als erhofft auf die Streitkräfte einlassen. Anvisiert war ein Anteil von 15 Prozent. Doch die Frauenquote lag 2012 bei 9,65 Prozent.
Klagen über sexuelle Belästigung
Im Wehrbericht zählt Königshaus 50 Klagen über sexuelle Belästigung auf, überwiegend über „unangemessene Berührungen“ und „verbale sexuelle Belästigungen“. Die Opfer waren mehrheitlich weibliche Zivilisten, in 16 Fällen Soldatinnen, drei Mal Soldaten (Männer belästigen Männer). Der Bericht einer Soldatin, die nach eigenen Angaben vergewaltigt wurde, hat in den Streitkräften eine Debatte ausgelöst. Für eine Studie lässt die Bundeswehr alle Soldaten zum Thema befragen. Königshaus geht von einer „nicht unerheblichen Dunkelziffer“ aus.
Ausbilder vom Hindukusch
Unfaire Behandlung
Ein „Klassiker“ sind die Klagen über mangelndes Führungsverhalten und ungerechte Behandlungen, über zweierlei Maß. Beispiel: Ein Oberstabsgefreiter in Kabul wurde zu einer Disziplinarbuße von 1500 Euro verdonnert, weil er viel mehr als die täglichen 0,25 Liter Wein getrunken hatte. Der Kapitän einer Fregatte ging straflos aus. Dabei hatte er mit dem ersten Offizier, dem Schiffsarzt und fünf weiteren Offizieren 15 Flaschen Bier, zwei Flaschen Schnaps sowie zwei Flaschen Portwein getrunken. Die Besatzung war sauer. Für sie gilt die „Zwei-Dosen-Regelung“: Zwei Dosen Bier (0,33 Liter) sind erlaubt.
1143 traumatisierte Soldaten
Königshaus beklagt eine Überbelastung, insbesondere bei Auslandseinsätzen. Das Ziel ist, dass Soldaten nach vier Monaten im Ausland 20 Monate in Deutschland eingesetzt werden – als Regenerationszeit, zur Ausbildung und Vorbereitung auf die nächste Mission. Faktisch aber wird die Vorgabe „nur begrenzt“ erreicht, so Königshaus. Im Klartext: Die Regierung kann sie nicht durchhalten. Im Gegenzug steigt die Zahl der Soldaten, die mit psychischen Erkrankungen aus den Auslandseinsätzen zurückkehren. Die Zahl der Traumatisierten hat mit 1143 Rekordhöhe erreicht.