Essen. Radfahrer haben im vergangenen Jahr 8339 Unfälle in NRW verursacht. 2011 waren es noch mehr. In einer Umfrage sprachen sich 82 Prozent der Deutschen für mehr Polizeikontrollen und höhere Strafen für Rüpel-Radler aus.
Verkehrsexperten fordern ein strengeres Vorgehen gegen Verkehrsverstöße von Radfahrern. Kay Nehm, Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages, sprach bei der Tagung in Goslar von einem „Skandal“, weil die Regelverstöße der Radler von den Behörden oft geduldet würden.
„Wer heute in dunkler Jahreszeit mit dem Auto unterwegs ist, muss höllisch aufpassen. Kaum ein Radler fährt mit vorgeschriebener Beleuchtung, kaum ein Radler kümmert sich um Fahrtrichtung oder Ampeln“, so Nehm. Er sprach von lebensgefährlichen Verhaltensweisen. Die Folgen träfen gesundheitlich zwar die Radfahrer selbst, finanziell hafte aber oft der unaufmerksame Autofahrer.
Widerspruch kam vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). „Mit dieser Sicht macht man es sich zu einfach. Vielmehr sollten Vorschläge gemacht werden, wie der Aggressivität am Steuer und im Straßenverkehr insgesamt begegnet werden soll“, sagt Bettina Cibulski, Sprecherin des ADFC.
Autofahrer fühlen sich bedroht
Für seine Forderung nach härteren Strafen für Rowdy-Radfahrer erhält der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm Unterstützung aus der Bevölkerung. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa sprachen sich 82 Prozent der Deutschen für mehr Polizeikontrollen und höhere Strafen für Rüpel-Radler aus. Als Autofahrer fühlten sich 81 Prozent bedroht, wenn Radfahrer ohne Licht fahren, rote Ampeln missachten und falsch in Einbahnstraßen einbiegen würden.
Derzeit sieht der amtliche Bußgeldkatalog folgende Strafen für Radfahrer vor:
- Das Fahren ohne Licht kostet 10 Euro, mit Gefährdung anderer 20 Euro, mit Unfallfolge 25 Euro
- das Telefonieren am Lenker 25 Euro
- das Befahren einer Einbahnstraße in die falsche Richtung 15 Euro, bei Unfallfolge oder Sachbeschädigung 30 Euro
- das Missachten einer roten Ampel 45 Euro, mit Unfallfolge 120 Euro.
Im vergangenen Jahr hatte es Diskussionen um eine Anhebung der Sanktionen gegeben. Im Bundesverkehrsministerium wurde eine Verdoppelung der Bußgelder geprüft. Ob sie allerdings umgesetzt wird, ist fraglich. Gestern konnte das Ministerium dazu keine Stellung nehmen.
81 Radfahrer starben 2012 auf den Straßen in NRW
Auf den Straßen in Nordrhein-Westfalen sind im vergangenen Jahr 81 Fahrradfahrer ums Leben gekommen. 2011 waren es noch 69. Diese Zunahme von 17 Prozent bereite Innenminister Ralf Jäger Sorge. Es sei nun geplant, „ein sehr gezieltes Konzept aus Aufklärung, Vorbeugung und Kontrolle zu entwickeln“, um Radfahrer besser zu schützen.
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Aus Sicht des NRW-Innenministeriums sei es bei Unfällen mit Radfahrern und Fußgängern weniger die Frage, wer die Ursache gesetzt habe, sondern vielmehr, wie schnell das beteiligte Auto unterwegs gewesen ist. Bei der Präsentation der Verkehrsunfallstatistik in dieser Woche hat Ralf Jäger deshalb angekündigt, künftig weiter gegen Raser konsequent vorzugehen. Ziel sei es, die Zahl der Verkehrstoten wie 2012 (von 634 auf 526) noch weiter zu senken und mehr Menschen dazuzubringen, das Fahrrad zu benutzen.
Vielen NRW-Städte haben bereits ihr Radwegenetz ausgebaut. Nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) habe sich auch deshalb der Anteil von Radfahrern im Straßenverkehr in den vergangenen Jahren von zehn auf 14,5 Prozent bundesweit erhöht. Dem ADFC ist das jedoch nicht genug. Der Verband verlangt künftig noch mehr Radfahrspuren auf der Fahrbahn, um die Fahrradfahrer zu „gleichberechtigten Verkehrsteilnehmern“ zu machen. „Zudem sollte es in den Innenstädten mehr Tempo-30-Zonen geben, um die Radfahrer und Fußgänger besser zu schützen. Sie sind nun einmal die schwächten Glieder im Straßenverkehr“, sagte ADFC-Sprecherin Bettina Cibulski.
Kritik an Ramsauers geplantem Punktesystem
Die von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) geplante Reform des Punktesystems für Verkehrssünder stößt bei den Experten auf wenig Gegenliebe. Nehm bemängelte, der derzeitige Entwurf stehe dem bisherigen System „an Komplexität und an Ungereimtheit und an Intransparenz nur unwesentlich“ nach. So befürchten viele Fachleute, dass Verkehrssünder künftig noch schwerer erkennen könnten, wie viele Punkte sie auf dem Konto haben. Auch der ADAC äußerte Bedenken und kritisierte, dass im Zuge der Reform auch die Bußgelder steigen sollten.
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Das NRW-Innenministerium weist die Kritik von Kay Nehm zurück, dass die Polizei nicht streng genug gegen Verkehrssünder auf dem Fahrrad zu verfolgen. Der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages hatte gestern auf der Eröffnung der Expertentagung in Goslar den Landesbehörden vorgeworfen, nicht gegen die „alltägliche und vermeidbare Gefahrenquelle“ der rüpelhaften Radfahrer vorzugehen und sie noch zu dulden. „Man muss zunächst erst einmal genau analysieren, wie viele Unfälle tatsächlich von Radfahrern verursacht worden sind, und wo sie Opfer waren“, sagte ein Sprecher dieser Zeitung. In NRW sind im vergangenen Jahr nach Angaben des Ministeriums 8339 Unfälle von Radfahrern verursacht worden, also 500 weniger als im vergangenen Jahr.