Essen. Mit dem Mikrozensus fragt der Staat das Gewicht der Deutschen ab. Nur zum Besten der Bürger versteht sich. Wenn die Kanzlerin das Gewicht zur Chefsache gemacht hat, geht es noch viel weiter: Dann walkt der Innenminister mit den Dicken und der Umweltminister kocht für die Dünnen. Eine Glosse.

Das Einwohnermeldeamt weiß, wo wir wohnen. Das Finanzamt weiß, wie viel wir verdienen. Und seit dem Zensus 2011 weiß der Staat auch, wie viele Menschen im Haus Migrationshintergrund, Abitur oder beides haben. Doch das reicht nicht. Im Mikrozensus 2013 will Papa Staat wissen, was wir wiegen.

Dass der Staat sich überhaupt für etwas so Privates wie unser Gewicht interessiert - geschenkt. Interessanter ist die Frage, was die in Berlin mit den hinzugewonnenen Informationen über ihre Bürger vorhaben.

Mutti Merkel befiehlt: "Iss den Teller leer!"

Ruft "Mutti" Merkel bald bei uns an und befiehlt in großmütterlichem Ton, wir sollten künftig den Teller leer essen, wenn den Statistikern unser Gewicht zu gering ist? Verteilt Gesundheitsminister Daniel Bahr Lebensmittelgutscheine, die ausschließlich zum Erwerb kalorienreicher Lebensmittel zu verwenden sind?

In Extremfällen kommt Umweltminister Peter Altmaier zum Einsatz: Ausgestattet mit Schneebesen und Bratpfanne bringt der Hobbykoch bundesdeutschen Kostverächtern schon bei, dass die heimische Küche ohne Halbfettmargarine und Diät-Cola auskommt.

Einkommensteuererhöhung für Übergewichtige

Noch schlimmer trifft es die Bürger, denen die Berliner Experten Übergewicht attestieren. Dann kommt Hans-Peter Friedrich, als Innenminister auch für Sport zuständig, persönlich zu einer Nordic-Walking-Session vorbei. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen verpflichtet arbeitslose Fitnesstrainer auf 400-Euro-Basis, um übergewichtigen Mitbürgern zu Leibe zu rücken.

Per Sofortanweisung lässt Finanzminister Wolfgang Schäuble die Einkommensteuer der Übergewichtigen um 20 Prozent erhöhen, die Boulevardpresse spricht von einer "Fettzulage". Rückerstattung ist nur möglich, wenn der überwiegende Teil des Einkommens für Obst und Fitnessstudios ausgegeben wird. Entsprechende Belege sind der Steuererklärung beizulegen. Ein staatlich kontrolliertes Diätprogramm, das auch noch die Staatskasse entlastet.

Öffentliches Massen-Wiegen auf dem Marktplatz

Schnell erweist sich die Gewichtsabfrage in persönlichen Interviews als zu umständlich. Aus Kostenersparnisgründen wird das System vereinfacht: Alle Einwohner einer Stadt treffen sich fortan einmal monatlich zum öffentlichen Wiegen auf dem Marktplatz. Die öffentlich-rechtlichen Sender übertragen live. Im Sinne des "Fördern und Fordern" ehrt der Bürgermeister den "Abnehmer des Monats" mit einem Handschlag. Wer zu wenig abgenommen hat, muss Straf-Liegestütz vor den Augen seiner Nachbarn machen.

Die Bundesregierung, getrieben von der Sorge, die Früchte ihrer Gesundheitspolitik würden nicht ausreichend gewürdigt, lobt ein Konjunkturpaket aus. Eine Expertenjury teilt es der Stadt zu, deren Bürger die meisten Kilos abspecken. Geliefert wird es von Philipp Rösler. In seiner Rede widerspricht der FDP-Politiker der Kritik, das Diät-Programm würde zu sehr ins Privatleben der Bürger einzugreifen: "Unser Programm hat die Bürger von überflüssigem Gewicht befreit. Ein klarer Sieg der Freiheit."