Essen. . Die Aussicht auf Millionen schweißt die Rathauschefs des Reviers zusammen. Sie reisen gemeinsam nach Belgien und sprechen dort mit einer Stimme. Ist das Ruhrgebiet auf dem Weg zu neuer Einigkeit?
Die Aussicht auf Geld schafft Bündnisse, die früher so leicht nicht denkbar gewesen wären: Gemeinsam wollen 17 Oberbürgermeister, Landräte und Verwaltungsspitzen des Ruhrgebiets am Mittwoch nach Brüssel reisen. Sie stellen das Kirchturmdenken hinten an und treten dort als „Metropole“ auf. Denn Brüssel wird zwischen 2014 und 2020 Hunderte Millionen Euro Fördergeld verteilen – und das Revier hat Appetit auf ein großes Stück von diesem Kuchen.
Unterschiedliche Typen mit unterschiedlichen Philosophien schweißt der Gang nach Brüssel zusammen. Da ist Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski, der dem Revier schon lange mehr Einigkeit empfiehlt. Da ist Reinhard Paß aus Essen, der sich in „Einheitsfragen“ zurückhält. Das ebenso selbstbewusste Dortmund schickt Planungsdezernent Martin Lürwer. Karola Geiß-Netthöfel gehört zur Reisegruppe, Direktorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Außerdem Sören Link (Duisburg), Dagmar Mühlenfeld (Mülheim), Bernd Tischler (Bottrop) und viele andere Stadtoberhäupter. Sie wollen „mit einer Stimme sprechen“. Allein diese Absicht ist schon bemerkenswert.
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Der „Phoenix“ wäre nie geflogen
„Das hat es so bisher noch nicht gegeben. Aber das ist der richtige Weg“, findet Frank Baranowski. „Es ist ein wichtiges und zeitgemäßes Signal, dass die Oberbürgermeister und Landräte in der Metropole Entscheidungsträger der EU aufsuchen“, sagt der Gelsenkirchener OB, der auch Sprecher der Ruhr-SPD ist.
Es geht um viel Geld, das die chronisch klammen Revierstädte in Brüssel locker machen wollen. Geld für Stadterneuerung, für wärmegedämmte Fassaden, für Klimaschutz und für Erfindungen. In den letzten fünf Jahren lief es diesbezüglich gut für die Region. 524 Millionen Euro flossen aus dem EU-Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) und dem europäischen Sozialfonds (ESF). Ob Phoenixsee in Dortmund, Zollverein in Essen oder Logoport Duisburg – ohne freundliche Unterstützung aus Brüssel wären diese „Leuchttürme“ nicht möglich gewesen.
Manche Stadtteile sind sozial und wirtschaftlich abgehängt
Mindestens ebenso viel Hilfe will das Revier auch in der neuen Förderphase einwerben. Denn manche Stadtteile sind sozial und wirtschaftlich regelrecht abgehängt. Aber die Zeiten sind hart, die EU steckt tief in der Krise. Einer alleine kann da nicht mehr viel ausrichten, fürchten Experten. Das Revier habe nur dann eine Chance auf Förderung, wenn es zusammenhalte.
Das Problem: Die Region Ruhrgebiet, eine „Metropole Ruhr“, die Anspruch auf Förderung hätte, gibt es aus Brüsseler Verwaltungssicht gar nicht. Allenfalls das Land NRW geht hier als „Region“ durch. Wer daran etwas ändern will, der muss schon persönlich bei den Kommissaren und ihren Beamten vorsprechen. Und er muss auch gegenüber dem Land NRW klarmachen, dass das Ruhrgebiet künftig seine Angelegenheiten selbst regeln will.
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Konferenz der Ruhr-SPD
Für Karola Geiß-Netthöfel, die RVR-Chefin, ist diese Reise ein „erster Höhepunkt der neuen Europa-Strategie der Metropole Ruhr“. Der Verband hat ein eigenes „Referat Europa“ eingerichtet und hatte im Sommer einen hochrangigen EU-Beamten nach Essen eingeladen.
Die Ruhr-SPD will sich schon am kommenden Samstag im Bochumer Jahrhunderthaus auf Vorschläge für ein neues RVR-Gesetz einigen. Im Kern geht es auch hier um mehr Selbstständigkeit für das Revier. CDU, Grüne, FDP und Linke im Ruhrparlament fordern die schon lange.