Brüssel. Kleine Schritte statt großer Wurf beim EU-Gipfel: Die Staaten wollen erst im Juni beschließen, wie sie die Währungsunion krisenfester machen. Kanzlerin Merkel gibt sich damit zufrieden: „Ich bin dafür, dass man Dinge gründlich und überlegt macht.“

Der große Reformplan für „Mehr Europa“ ist vertagt – und der Weihnachtsfriede gewahrt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die restlichen Regierungschefs verschoben ihre Entscheidung über einen Fahrplan für Europas Zukunft auf Juni. Unter anderem habe der größte EU-Staat Deutschland auf der Bremse gestanden, hieß es am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. Die Kanzlerin sagte dazu nur: „Ich bin dafür, dass man Dinge gründlich und überlegt macht.“ Die Erwartungen auf einen großen Reform-Wurf im Dezember hatten Merkel und andere Politiker bereits in den Vortagen gedämpft.

Dabei hatte sich EU-Ratschef Herman van Rompuy viel Mühe gemacht. Im Auftrag der Staaten erarbeitete er in den vorigen Monaten einen umfassenden Fahrplan hin zu einer „echten“ Wirtschafts- und Währungsunion. Bei diversen Reisen und Gesprächen lotete Rompuy aus, wie reformbereit die Staaten sind. Und schwächte daraufhin den Bericht ab. Doch sein Fahrplan war immer noch zu ehrgeizig. Das lässt die Gipfel-Schlusserklärung vermuten. Sie enthält auf knapp acht Seiten vage Formulierungen zu Europas Zukunft. Etwas konkreter sind lediglich die Passagen zu einer stärkeren wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit.

Griechenland ist längst nicht gerettet

Die Staats- und Regierungschefs versuchten, trotzdem für gute Stimmung zu sorgen. Sie wissen schließlich genau, dass die Krise 2013 weiter schwelt. Griechenland ist längst nicht gerettet. Der Sorgenstaat Italien durchlebt eine neue Regierungskrise. Frankreichs Wirtschaft schwächelt. Zudem arbeiten die Europäer an einem Notkredite-Paket für einen weiteren Euro-Staat: Zypern braucht Hilfe. Noch im Herbst hatten Merkel & Co angesichts der Krise angepeilt, im Dezember einen Fahrplan für „Mehr Europa“ zu billigen. Verunsicherte Investoren an den Finanzmärkten sollten wissen, hieß es damals, wie die Europäer ihre – unvollendete - Währungsunion wetterfester machen.

Auch interessant

Von Sabine Brendel

Doch der Reform-Eifer scheint erlahmt, die Angst an den Finanzmärkten derzeit nicht mehr so groß und die Zukunftswünsche der Staaten zu unterschiedlich. Zudem stehen in Deutschland 2013 Wahlen an – ein Wahlkampf rund ums Thema Europa scheint so attraktiv wie zehn Tage Regenwetter. Daher wagen die Staats- und Regierungschefs nun lediglich kleine Schritte. Auch der Friedensnobelpreis, den die EU Anfang der Woche erhielt, entfachte keinen Umbau-Mut. Zugeben will das niemand.

Kanzlerin Merkel gibt sich betont zuversichtlich. „2012 war arbeitsreich“, sagt sie. „Wir haben sehr viel erreicht.“ Sie zählt auf: Der dauerhafte Euro-Rettungsfonds hat die Arbeit aufgenommen, die Grundzüge der europäischen Bankenaufsicht stehen und der Weg für eine europäische Börsensteuer („Finanztransaktionssteuer“) ist frei. Zudem schrumpften die Haushaltslöcher in den Staatskassen. „Die Staatsdefizite haben sich halbiert seit 2009/10“, freut sich Merkel, die europaweit als „Spar-Meisterin“ bekannt und – vor allem in Südeuropa - berüchtigt ist.

Schritt für Schritt zur Währungsunion

Auch die mehrfach vertagte und nun erfolgte Freigabe der nächsten Notkredit-Rate für Griechenland gilt der Kanzlerin und den Europäern als Beweis, dass es vorangeht. „So formt sich für mich sehr sichtbar Schritt für Schritt eine Währungsunion“, sagt Merkel merkwürdig umständlich. Aus dem europaskeptischen Großbritannien kam ein Lob, das auch als verkappte Aufforderung interpretiert werden kann. „Die Länder des Euro-Raums stehen hinter ihrer Währung“, sagte Premierminister David Cameron. Er selbst habe diesbezüglich Zweifel gehabt, aber glaube nun an die Entschlossenheit der Euro-Staaten, „dafür zu sorgen, dass ihre Währung gut funktioniert“. Der ultimative Beruhigungssatz kam jedoch aus dem Mund von Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite. Sie rief den Bürgern Europas zu: „Alles wird gut, machen Sie sich keine Sorgen, wir kümmern uns drum.“