Berlin. . In Berlin arbeiten etwa 5000 Interessenvertreter für Verbände und Organisationen. Jetzt wird ein Apotheken-Lobbyist verdächtigt, am Diebstahl von Unterlagen beteiligt gewesen zu sein. So konnten Gesetzentwürfe beeinflusst werden. Doch wie arbeiten Lobbyisten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) war schon länger stutzig. Immer wieder machten angebliche Pläne und Gesetzesvorhaben die Runde, von denen der Minister selbst noch keine Ahnung hatte. Doch wer war der Maulwurf im Ministerium? Womöglich ein illoyaler Mitarbeiter von einer der Oppositionsparteien? Von wegen. Ein Vertreter der Apothekerlobby soll hinter dem Datenklau stecken und damit den wohl größten Lobby-Skandal in der Gesundheitsbranche verursacht haben.
Was machen Lobbyisten?
Dass Lobbyisten versuchen, Gesetze im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen, gehört zum Alltag in Berlin. Geschätzte 5000 Interessenvertreter tummeln sich in der Hauptstadt und arbeiten für Verbände, Unternehmen und Gruppen. Von der Autobranche über Banken bis hin zur Pharmabranche. Mehr als 2000 Verbände sind in einer Liste des Bundestags offiziell registriert. Damit haben die Lobbyisten die Chance auf einen Hausausweis und den direkten Kontakt zu den Abgeordneten.
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Welche Techniken wenden sie an?
Der Werkzeugkasten der Lobbyisten ist groß. Er reicht von (in-)formellen Gesprächen, um Politiker für die eigene Sache einzuspannen, bis hin zu aggressiven Kampagnen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Gerade im milliardenschweren Gesundheitssektor wird hier mit harten Bandagen gekämpft. Manche Hauptstadt-Flüsterer arbeiten Ministerien zu oder sind dort direkt tätig. Hier ist deren Expertise mitunter gern gesehen. Abgesehen von öffentlichen Kampagnen versuchen Lobbyisten, eher im Verborgenen Einfluss zu nehmen. Die Folgen können aber immens sein. Davon kann die FDP ein Klagelied singen. Auch dank geschickter Lobbyarbeit haben die Liberalen und die CSU zu Beginn der Legislaturperiode die reduzierte Hotelmehrwertsteuer durchgedrückt. Davon haben sich die Liberalen politisch lange nicht erholt
Gab es schon Skandale?
Schwarz-Gelb folgt Pharmalobby: Es waren peinliche Schlagzeilen, die 2010 auf die Koalition einprasselten. Gerade bastelte sie an einem Verfahren zur Bewertung von Arzneimitteln. Da hatte pikanterweise ein Änderungsantrag fast denselben Wortlaut wie eine Forderung der Pharmavertreter. Lobbyisten haben nicht das Gemeinwohl im Sinn, sondern müssen die Interessen ihrer Klientel verfolgen. So kassierte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) reichlich Prügel, als 2010 bekannt wurde, dass ihr Ministerium eine Versicherung mit einem Entwurf für eine Arbeitnehmerversicherung beauftragt hatte.
Wer hat die Daten im Ministerium gestohlen?
Ein Mitarbeiter einer externen IT-Firma, die für das Ministerium arbeitet, soll über Jahre geheime Unterlagen gestohlen und verkauft haben. Ein Lobbyist aus dem Umfeld der Apothekerschaft wird verdächtigt, daran beteiligt zu sein. Dabei soll es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter der Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) handeln. Bei der Spionage ging es offenbar darum, früh an Informationen über die Gesetzgebung im hart umkämpften Apotheken- und Pharmabereich zu gelangen.
Wie kam das Gesundheitsministerium dem Datendiebstahl auf die Spur?
Einen Verdacht hatte Bahr schon seit Ende 2010. Von da ab drangen immer wieder Pläne an die Öffentlichkeit, von denen er selbst noch nichts wusste. Die Spurensuche im Ministerium brachte keinen Erfolg. Mitarbeiter mussten eidesstattlich versichern, dass sie nichts weitergeben. Erst ein anonymer Hinweis Anfang September lieferte eine heiße Spur. Kurz darauf stellte das Ministerium Strafanzeige gegen unbekannt. Am 20. November schlugen die Ermittler zu. Es gab Durchsuchungen im Ministerium, bei dem IT-Beschäftigten und einem weiteren Verdächtigen.
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Welche Dokumente wurden offenbar kopiert?
E-Mails, Beschlüsse, Gesetzentwürfe. Bahr sprach von dem Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) und der Apothekenbetriebsordnung. E-Mails von ihm und seinem Amtsvorgänger Philipp Rösler wurden nach Bahrs Kenntnisstand nicht geklaut.
Inwieweit hätte die Apothekerlobby von den Regelungen profitieren können?
Bevor ein Minister mit einem Gesetz an die Öffentlichkeit geht, durchläuft es viele Stufen. Zunächst einmal schreiben Referenten Vermerke und Entwürfe. Im Frühstadium ist es für Verbände und Interessengruppen einfacher, auf Gesetze und Verordnungen Einfluss zu nehmen. Durch Lobbyarbeit an Politikern oder öffentlichwirksame Kampagnen versuchen sie, die für sie schlimmsten Punkte abzuschwächen.
Das AMNOG war bei Apothekern wegen des Abschlags an die gesetzlichen Kassen für jedes Medikament massiv in der Kritik. Er stieg von 1,75 auf 2,05 Euro je Packung. Das Gesetz werde die Apotheken massiv belasten, polterten die Apothekerverbände gewohnt lautstark und warnten vor dem Apothekensterben. Umstritten war zudem ein Verbot zur Abgabe von Arzneimitteln in Pick-Up-Stellen (Abholpunkte für bestellte Medikamente).
Auch die Apothekenbetriebsordnung sorgte für Riesenwirbel. Zunächst wollte das Ministerium Filialapotheken erlauben, die Rezeptur und das Labor auf eine Betriebsstätte zu beschränken. Diesen Plan ließ das Ministerium später fallen. Die Apothekerlobby schäumte auch angesichts des Planes, wonach die Pharmazien weniger prominent als bisher Kosmetika verkaufen sollten.
Arbeiten auch andere Bundesministerien mit externen IT-Firmen zusammen?
Auch andere Ministerien setzen externe IT-Dienstleister ein. Vorher werden sie aber überprüft. Nach den Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert gelten für alle die gleichen Maßstäbe an die Sicherheit. Bahr will die IT-Sicherheitsstruktur nach eigenen Angaben überprüfen lassen.