Washington/New York. Die Palästinenser sind mit großer Mehrheit vom 138 Stimmen in der Vollversammlung der Vereinten Nationen diplomatisch aufgewertet worden: Der Beobachter-Status ermöglicht juristische Schritte gegen Israel. Amerika leistete bis zuletzt Widerstand. Deutschland enthielt sich der Stimme.
Gegen den Widerstand Amerikas und Israels hat eine überwältigende Mehrheit der 193 Mitgliedsländer am Donnerstagabend in der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York die Palästinenser zum ersten Mal seit 65 Jahren Jahrzehnten diplomatisch aufgewertet. Der Status eines Beobachters („Non-member-state“), wie ihn bei den UN der Vatikan besitzt, beinhaltet anders als die Vollmitgliedschaft kein Abstimmungsrecht in der Vollversammlung.
Allerdings haben die Palästinenser künftig Zugang zu vielen Gremien der UN und können den seit 65 Jahren währenden Konflikt um staatliche Souveränität an der Seite des Nachbarn Israel auf eine heller ausgeleuchtete internationale Bühne heben. Kritiker des Beschlusses rechnen damit, dass die Palästinensische Autonomiebehörde Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Verfehlungen im besetzten Westjordanland zur Rechenschaft zieht.
Deutschland enthielt sich der Stimme
Unmittelbar vor der Abstimmung, in der 138 Länder mit Ja, 9 mit Nein stimmten und sich 41 Länder (darunter Deutschland) enthielten, bezeichnete Palästinenserpräsident Mahmud Abbas unter lautstarkem Beifall die Höherstufung als „Investition in den Frieden“ und die „letzte Chance für die Zwei-Staaten-Lösung“ im Nahost-Konflikt. Palästina den Beobachter-Status zu gewähren, sei wie das Ausstellen einer „Geburtsurkunde“. Die Palästinenser seien entschlossen, „einen unabhängigen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt in den Grenzen von 1967“ für sich zu reklamieren. Abbas sparte mit Blick auf die wenige Tage zurückliegende Konfrontation im Gaza-Streifen nicht mit harter Kritik an Israel: „Der Moment ist gekommen, dass die Welt sagt: Schluss mit der Aggression, Besiedlung und Besetzung. Deshalb sind wir heute hier.“
Um sein Ziel zu erreichen, hätten Abbas schon 97 Stimmen genügt. Geschlossener Rückhalt aus der Europäischen Union blieb dem 77-Jährigen gleichwohl versagt. Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Irland, Luxemburg, Malta, Portugal, Spanien und Schweden hatten schon vorher ihre Zustimmung signalisiert, ebenso außerhalb der EU Norwegen, Island und die Schweiz. Die Niederlande, Polen, England und Tschechien dagegen lehnten das Ersuchen von Abbas ab.
Israel lehnt eine einseitige Staatsgründung ab
Deutschland enthielt sich. Wie Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, könne das Ansinnen der Palästinenser die Wiederbelebung des brachliegenden Friedensprozesses erschweren. Hintergrund: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, der Abbas noch am Abend eine Rede "voller Gift und Hass" bescheinigte, lehnt ein einseitige Staatsgründung der Palästinenser ab, solange es keinen formalen Friedensschluss mit Sicherheitsgarantien gibt und das Existenzrecht Israels seitens der Palästinenser nicht uneingeschränkt anerkannt wird.
Die radikal-islamische Hamas, die 1,6 Millionen Palästinenser im Gaza-Streifen vertritt, und zuletzt im gewaltsamen Konflikt mit Israel einen Prestigegewinn verbuchen konnte, hält programmatisch noch immer an einer Auslöschung Israels fest. Abbas dagegen stellte in New York fest: „Wir sind nicht gekommen, um hier einem Staat, der vor Jahrzehnten gegründet wurde, die Legitimität abzusprechen - das ist Israel. Aber wir kommen, um die Legitimität eines anderen Staates zu bekräftigen - und das ist Palästina.“
Obama-Regierung versuchte, Abbas von seinem Vorhaben abzubringen
Deutschland wollte laut UN-Diplomaten den als moderat geltenden Abbas „nicht durch eine Nein-Stimme schwächen – darum der Mittelweg der Enthaltung“. In der Sache folgt Berlin der Argumentation Washingtons. Die Obama-Regierung hatte mit Hilfe mehrerer Unterhändler bis zuletzt versucht, Abbas von seinem Vorhaben abzubringen. „Der Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung führt durch Jerusalem und Ramallah und nicht über New York“, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton.
Anders als bei dem seit einem Jahr auf Eis liegenden Antrag der Palästinenser auf volle Mitgliedschaft, der die Zustimmung des Sicherheitsrates erfordern würden, hatte Amerika in der Vollversammlung keine Veto-Macht und konnte den Schritt der Palästinenser nicht verhindern. Mit Überraschung wurde in New York registriert, dass einer von Netanjahus Vorgängern, der frühere Premierminister Ehud Olmert, in der US-Presse Abbas den Rücken stärkte. „Ich glaube, dass der palästinensische UN-Antrag im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien der Zwei-Staaten-Lösung steht“, sagte Olmert.