Berlin. . Beim Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan stehen die Weichen auf Truppenabzug. Das Bundes-Kabinett hat sich am Mittwoch für eine Reduzierung der deutschen Soldaten am Hindukusch ausgesprochen. Über die Entscheidung muss noch der Bundestag abstimmen.
Deutschland bereitet sich auf einen umfassenden Truppenabzug aus Afghanistan vor. Bis Anfang 2014 soll die Truppenstärke von derzeit maximal 4900 Soldaten auf 3300 Mann und damit um knapp ein Drittel sinken, beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) lobte das neue Mandat mit den Worten: "Das Ende des Kampfeinsatzes in Afghanistan rückt in greifbare Nähe." Nach bisherigen Planungen will Deutschland bis Ende 2014 alle Kampftruppen aus Afghanistan abziehen.
Geheime Afghanistan-Papiere
Das aktuelle Mandat läuft am 31. Januar 2013 aus. Dem neuen Mandat muss noch der Bundestag zustimmen, die erste Lesung ist noch für Dezember geplant. Erstmals soll das neue Mandat 13 statt wie bisher 12 Monate laufen. Bereits zum Start Anfang 2013 soll die Obergrenze auf 4400 Soldaten sinken. Im Mandatszeitraum bis zum 28. Februar 2014 sollen weitere 1100 Mann vom Hindukusch abgezogen werden, "soweit die Lage dies erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden". Die Kosten für die Mandatsverlängerung werden auf 1,07 Milliarden Euro beziffert.
Bundeswehrverband fordert weitere Präsenz in Afghanistan
Anfang des Jahres hatte die Bundeswehr die ersten 100 Soldaten aus Afghanistan zurückgeholt. Nun wird mit dem neuen Mandat der umfassende Abzug deutscher Truppen eingeläutet. "Für diesen international abgestimmten Kurs der Verantwortung für unsere Soldaten und für Afghanistan werben wir um eine breite und fraktionsübergreifende Zustimmung im Deutschen Bundestag", fügte Westerwelle hinzu.
Der Bundeswehrverband fordert unterdessen die Stationierung deutscher Kampftruppen in Afghanistan auch nach dem Jahr 2014. Eine solche Reserve sei nötig, "um auf Krisen reagieren zu können", sagte Verbandschef Ulrich Kirsch der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Mittwoch. "Nur unterstützend tätig zu sein und allein die afghanischen Sicherheitskräfte Gefechte mit den Aufständischen führen zu lassen, wird nicht gelingen."
Lage in weiten Teilen Afghanistans "unverändert angespannt"
Dem am Mittwoch vorgestellten Fortschrittsbericht zufolge gab es in den ersten zehn Monaten 2012 zehn Prozent weniger "sicherheitsrelevante Zwischenfälle" im Land. Im Norden, dem Einsatzgebiet der Bundeswehr, habe sich deren Zahl um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr verringert. Im Süden und Osten des Landes sei die Lage hingegen "unverändert angespannt". Die afghanischen Kräfte seien aber mittlerweile "gut entwickelt". Der Bericht wurde gemeinsam vom Auswärtigen Amt und den Ministerien für Verteidigung, Inneres sowie Entwicklung erstellt.
Feindliche Kräfte in Afghanistan, allen voran die radikalislamischen Taliban, seien weiterhin "handlungsfähig", heißt es darin. Zudem wachse die Bedrohung durch sogenannte innere Angriffe, also Angriffe afghanischer Kräfte auf ISAF-Soldaten sowie auf eigene Kollegen. Durch solche Innentäter seien bis Mitte November bei 39 solcher Vorfälle 48 Nato-Soldaten getötet worden.
Bundeswehr soll weiter in Afghanistan bleiben - aber nicht in "Kampfmission"
Der eingeschlagene Weg in Afghanistan bleibe trotz der Fortschritte "schwierig", erklärte Außenminister Guido Westerwelle (FDP). So seien neben Verbesserungen der Sicherheitslage auch mehr Anstrengungen zum Schutz der Menschenrechte, bei der Korruptionsbekämpfung und der Regierungsführung nötig. Einen dauerhaften Frieden könne es nur im Rahmen einer "innerafghanischen" Versöhnung geben, die dem Bericht zufolge bisher aber nicht gelang. So setzten die Taliban zu Beginn des Jahres mit den USA begonnene Gespräche bereits im März wieder aus.
Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete die Lage in Afghanistan als weiterhin "insgesamt instabil", es gebe aber positive Trends. Vor dem Hintergrund der Annahme dieser "positiven Entwicklung" sei auch die beschlossene Truppenreduzierung "verantwortbar", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Für die Zeit nach dem Abzug der Kampftruppen 2014 sagte die Regierung weitere Hilfe zu. Dazu sei sie zu einer Beteiligung an einer "Beratungs-, Ausbildungs- und Unterstützungsmission" bereit, die aber keine "Kampfmission" sein solle. Dafür "werben wir um eine breite und fraktionsübergreifende Zustimmung im Deutschen Bundestag", erklärte Westerwelle. Bundeswehrverbandspräsident Ulrich Kirsch forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" indes Kampftruppen auch nach 2014, um "auf Krisen reagieren zu können". (dapd)