Frankfirt/M. . Die Suche nach einem neuen Kandidaten für den Spitzenposten bei der Europäischen Zentralbank gestaltete sich äußerst schwierig: Luxemburgs Notenbankchef Yves Mersch gehörte früh zu den Favoriten - das EU-Parlament wollte aber partout eine Frau. Am Ende setzte sich doch seine große Erfahrung durch.

Es war eine schwere Geburt. Und es ist doch ein Junge! Trotz Protest des EU-Parlaments gegen einen männlichen Kandidaten hat der EU-Gipfel am Donnerstagabend Luxemburgs Notenbankchef Yves Mersch als neuen Direktor der Europäischen Zentralbank bestimmt. Für den 63-Jährigen ist das eine späte Genugtuung. Lange hat er sich für den Sprung in das EZB-Spitzengremium warmgelaufen. Viele Hürden musste er überspringen. Jetzt ist er am Ziel.

Mersch ist erfahren, blitzgescheit und kompetent. Er zählt sogar zu den geldpolitischen Falken und ist daher ein potenzieller Verbündeter von Bundesbankchef Jens Weidmann. Einen besseren Kandidaten konnte es aus deutscher Sicht kaum geben. Sein einziges Handicap war zuletzt sein Geschlecht: "Ja, ich muss leider bekennen, ich bin keine Frau", hatte er selbst scherzhaft festgestellt.

Das EU-Parlament hatte den Luxemburger vor einem Monat durchrasseln lassen. Weil es eine Frau in den Herrenclub im Frankfurter Turm bringen wollte. Es war ein einmaliger Vorgang. Dabei besteht an der fachlichen Qualifikation kein Zweifel. Seit 14 Jahren leitet Mersch Luxemburgs Zentralbank, ist damit dienstältester Notenbankchef der Eurozone.

Trotz Frauendebatte - Merkel hielt Mersch die Treue

Doch darum ging es ja gar nicht. Die Volksvertreter waren und sind sauer, weil Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Kollegen keine Frau für den Spitzenjob ins Rennen geschickt hatten. Mit Mersch bleibt das Gremium jetzt voraussichtlich bis 2018 eine reine Männerveranstaltung.

Merkel hielt ihm trotz Protesten der Abgeordneten die Treue, und auch ihre EU-Amtskollegen. Dafür nehmen sie in Kauf, dass das schwierige Verhältnis zum EU-Parlament einen weiteren Kratzer bekommt. Und auch, dass Mersch mit angeschlagener Legitimation ins Amt startet. Doch einen anderen Kandidaten gab es nicht. Und erpressen lassen wollten sich die Chefs auch nicht.

Schon mehrfach war das EZB-Postenkarussell an Mersch vorbeigefahren. 2010 hatte er Interesse am Posten des Vizepräsidenten, hatte aber das Nachsehen gegen den Portugiesen Vitor Constancio. Gehandelt wurde er auch für den Topjob, als im vergangenen Jahr ein Nachfolger für Jean-Claude Trichet gesucht wurde. Da kam der Italiener Mario Draghi zum Zuge.

Als Ende Mai der Spanier José Manuel González-Páramo aus dem Amt schied, schien Merschs Chance endlich gekommen. Mit kräftiger Schützenhilfe seines Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker konnte er schließlich auch den Widerstand der Spanier brechen, die noch um einen eigenen neuen Spitzenposten pokerten. Im Juni kam schließlich das grüne Licht der Eurogruppe, und kurz darauf der Segen der Staats- und Regierungschefs.

Mersch gilt als währungspolitischer Hardliner

Doch dann geriet Mersch zwischen die Fronten im Geschlechterkampf. Ausgerechnet der charmante Luxemburger mit dem verschmitzten Lächeln und dem wohl getrimmten Schnauzbart. Der alte Hase in der handverlesenen Riege altgedienter Euro-Spitzenkräfte.

Mit der frischen Anwaltslizenz in der Tasche hatte er seine Laufbahn 1975 im luxemburgischen Finanzministerium begonnen. Nach Zwischenstationen unter anderem beim Internationalen Währungsfonds (IWF), der nationalen Börsenaufsicht und als Chef des Schatzamtes eroberte er bei der Gründung der luxemburgischen Zentralbank 1998 deren Chefsessel, wo er bis heute sitzt. Als Notenbankchef war er seitdem auch schon Mitglied im EZB-Gouverneursrat. Jetzt wird er ganz nach Frankfurt ziehen.

Der verheiratete Vater von zwei Kindern galt eigentlich als währungspolitischer Hardliner. Deswegen hatte so mancher Abgeordnete aus den Südländern die Befürchtung, er könne gemeinsam Front mit Weidmann machen und gegen das Anleihenkaufprogramm der EZB schießen. Doch wenige Tage vor der Parlamentsabstimmung hatte sich Mersch auf die Seite von EZB-Chef Draghi geschlagen, und dessen Anleihenkäufe als "gewaltiges Bollwerk gegen zerstörerische Szenarien" gelobt.

Klare Worte, die womöglich den ein oder anderen Abgeordneten in Straßburg umstimmen sollten. Ausgezahlt hat es sich nicht. Ins Amt kommt er jetzt trotzdem. Gespannt wird nun beobachtet werden, welche Linie der Luxemburger im Kampf gegen die Schuldenkrise einnimmt.