Berlin. . Die Bundesregierung ist entschlossen, Patriot-Abwehrraketen in der Türkei zu stationieren. Die SPD ist bereit, dem zuzustimmen. So könnte eine Mission, die wahrscheinlich unnötig ist, mit einem Bundestagsmandat versehen werden, das wahrscheinlich ebenfalls unnötig ist.

Die Türkei ist ein stolzes Land. Sie stellt keine Anträge, die abgelehnt werden. Seit Montag aber kann sich die Regierung in Ankara sicher sein, dass die Nato „Patriot“-Raketen an die Grenze nach Syrien verlegen würde, wenn sie darum gebeten wird.

Das liegt im türkischen Interesse, Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) stellt sich auf eine Anfrage ein. „Wir werden eine solche Anfrage solidarisch prüfen und schnell beantworten“, versicherte er am Montag in Brüssel. Auf eine deutsche Zusage kommt es im konkreten Fall an, weil die Bundeswehr eine von drei Nato-Armeen ist, die über die modernste Version des Raketen-Abwehrsystems „Patriot“ verfügen. Die anderen zwei Partner sind die Niederlande und die USA.

Patriot schützt nicht vor Mörsern

Militärisch zwingend ist die Aktion nicht. Seit in Syrien ein Bürgerkrieg tobt, gerät die Türkei an ihrer rund 900 Kilometer langen Grenze unter Mörserbeschuss. Gegen Mörser aber kann „Patriot“ nichts ausrichten; es bietet nur Schutz gegen Angriffe mit Raketen und Flugzeugen.

Patriot-RaketenEine Verwicklung in den Bürgerkrieg, eine Eskalation womöglich – das ist die Sorge der Linken im Bundestag. Sie lehnen einen Einsatz ab. Das konnte man erwarten. Die Grünen wurden von den Gerüchten über einen neuen Auslandseinsatz zum ungünstigsten Zeitpunkt erwischt: Während eines Parteitages. Und gegenüber der Basis traute sich ihre Führung kein „Ja“ oder „Nein, aber“.

Die SPD behält sich ein Ja vor

Offener ist die SPD. Ihr Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier versichert, dass ein Nato-Partner Anspruch auf Hilfe hat und ein Einsatz ein Mandat des Bundestages voraussetzt. Im Klartext: Die SPD behält sich ein „Ja“ vor, wenn die Hilfe gut begründet und das Parlament nicht übergangen wird.

De Maizière versucht, Bedenken zu zerstreuen: „Es handelt sich um eine vorsorgliche defensive Maßnahme auf dem Bündnis-Gebiet der Türkei, nur darum geht’s.“ Es wäre ein Einsatz im Nato-Gebiet, ob ein Mandat zwingend wäre? Sei es drum. Laut Ministerium spricht „sehr viel dafür, dass wir dafür ein Mandat brauchen.“ De Maizière buhlt – zumindest – um die SPD.

Ein militärisches Auslaufmodell

Das „Patriot“-System ist militärisch ein Auslaufmodell. Es wurde schon in beiden Golfkriegen eingesetzt, zum Beispiel zum Schutz Israels, in die Türkei wurde es zuletzt 2003 verlegt. Eine „Patriot-Batterie“ besteht aus mehreren Startrampen, Radar und Kontrollstation. Sie sind hochmobil – auf Lastwagen montiert – und decken einen Teilabschnitt des Luftraums ab. Wenn auf dem Radar ein feindliches Flugobjekt entdeckt wird, etwa 50 bis 100 Kilometer vom Ziel entfernt, bleibt eine Vorwarnzeit von zehn bis 20 Sekunden. Dann wird ein Flugkörper abgeschossen, der die anfliegende Rakete/Flugzeug in der Luft zerstört.

Die ersten „Patriot“-Systeme waren vergleichsweise primitiv. Sie konnten die anfliegende Rakete nur ablenken und vom Kurs abbringen. Im ersten Golfkrieg sorgten sich die Militärs, dass Iraks Machthaber Saddam Hussein Raketen mit chemischen Kampfstoffen bestücken könnte. Auch abgestürzte Raketen würden dann noch Unheil anrichten. Daraufhin wurden die „Patriot“-Raketen so perfektioniert, dass sie ihr Ziel in der Luft treffen und restlos zerstören.

Diesmal will de Maizière nicht nur die Raketen schicken

Ausgebildet werden die deutschen Soldaten in Husum, geübt wird auf Kreta. Zu einer Einheit gehören 85 Mann. Für ihren Schutz und für die Logistik müsste die Türkei sorgen. Wie viele Staffeln verlegt, wie groß der Anteil der Bundeswehr wäre, lässt sich nicht sagen. Beim letzten Einsatz in der Türkei lieferte die Bundeswehr das Material, die Niederlande lieferten das Personal. Diese Form der Risikominimierung macht de Maizière nicht mit. Wenn, dann entsendet er auch Soldaten.