Wenn man der Türkei nicht hilft, Herr der Lage zu werden, werden die Flüchtlinge in Mitteleuropa landen. Wenn die Grenze der Türkei verletzt wird, muss man als Partner helfen.

Der Bürgerkrieg in Syrien belastet die Türkei. Die Kämpfe(r) rücken näher, um Grenzzäune scheren sie sich nicht. Tausende Flüchtlinge suchen Schutz im Nachbarland. Im Juni schossen die Syrer ein türkisches Militärflugzeug ab. Wenn man ehrlich ist, sind wir froh, dass der Konflikt weit weg ist. Von der Nato gab es warme Worte, von der EU etwas Geld, um die Flüchtlinge vor Ort zu versorgen und damit sie ja nicht auf die Idee kommen, gen Westen zu ziehen.

Militärisch wäre der Einsatz von „Patriot“ verfrüht, überdimensioniert, die sprichwörtliche Kanone, um auf Spatzen zu schießen. Gegen Mörser – die realistische Gefahr – wären die „Patriot“-Raketen sinnlos. Sie können die Türkei nur gegen eine Gefahr schützen, die sich nicht stellt: Angriffe mit Raketen und Flugzeugen.

Im Angriffsfall müsste die Nato dem Partner beistehen. Genau für solche Situationen ist das Bündnis da. So weit sind wir nicht. Das „Patriot“-Abwehrsystem wäre ein Signal: Die Nato unterstützt demonstrativ den Partner, und der schüchtert damit Syrien ein. Die Türkei strebt de facto eine Flugverbotszone über Syrien an. Diesem Ziel käme sie einen Schritt näher mit den „Patriot“-Raketen. Das Kalkül ist offensichtlich: Den Syrern wird vor Augen geführt, welches Risiko sie eingehen: Eine „verirrte“ Rakete oder ein Kampfjet, und schon hätten sie es mit der Nato zu tun.

Was geht das alles uns an? Viel. Wenn man der Türkei nicht hilft, Herr der Lage zu werden, werden die Flüchtlinge in Mitteleuropa landen. Wenn die Grenze der Türkei verletzt wird, muss man als Partner helfen.

Innenpolitisch sollte die kalkulierte Indiskretion vom Wochenende die Bürger auf einen Einsatz einstimmen. Ob die Verlegung von Raketen im Nato-Gebiet eines Mandats des Bundestages bedarf, darüber mögen Juristen streiten. Politisch geboten wäre es. Schon zum Selbstschutz wird sich Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) um SPD und Grüne bemühen. Er will den Konsens. Geht was schief, hat die Opposition dann Ladehemmung.