Tel Aviv. . Der Krieg um Gaza ist weiterhin hart umkämpft. Eine Entscheidung ist nicht absehbar. Die Palästinenser feiern den Beschuss israelischer Städte: „Endlich erfahren die auch mal, was wir seit Jahren durchmachen“.

Auch nach mehr als tausend israelischen Luftangriffen auf militärische Ziele und dem Abschuss von mehr als 800 palästinensischen Raketen auf israelische Städte scheint der Krieg um Gaza einer Entscheidung keinen Deut näher. Ägypten bemühte sich am Sonntag um einen Waffenstillstand, während Israels Regierung erwog, mit Bodentruppen in Gaza einzumarschieren. Für die Palästinenser ist jedoch eines bereits klar: Die radikal-islamische Hamas ist eindeutig Sieger dieses Waffengangs.

Über 75.000 Reservisten will Israels Regierung für eine mögliche Bodenoffensive in Gaza einziehen – mehr als doppelt so viele wie in den großen Militäraktionen in Gaza 2008 oder im Libanon 2006. Zehntausende Lehrer, Rechtsanwälte, Ärzte und Sozialarbeiter, Väter und Mütter ließen alles stehen und liegen, um dem Marschbefehl Folge zu leisten. Das Ziel ist klar: Israels Süden, der seit mehr als zehn Jahren mit Raketen beschossen wird, mit einer Invasion ein wenig Ruhe bescheren zu können.

50 Palästinenser bei Angriffen auf Gaza gestorben

Auf Iyad al Bayary im Flüchtlingslager Jebalyah in Gaza macht das allerdings keinen Eindruck. Bis Sonntagabend kamen 50 Palästinenser ums Leben, die Mehrheit von ihnen Hamas-Aktivisten, die von Israel gezielt getötet wurden. Bayary hat keine Angst: „Diesmal greifen die Israelis keine Zivilisten an, sondern nur die Raketenbasen der Hamas.“ Trotzdem hat er seine Ehefrau und seine fünf Jahre alte Tochter vorsichtshalber zu Verwandten in Gaza-Stadt geschickt, falls die Israelis einmarschieren sollten. Dabei ist er überzeugt, diesmal sei „alles anders, die Gleichung hat sich geändert“, so der 36 Jahre alte Mann, der als Aufseher der Krankenpflege im Gesundheitsministerium in Gaza ar­beitet. „Die Israelis werden nicht kommen, die Widerstandsorganisationen sind zu stark geworden.“

Bayary sah die Bilder aus Tel Aviv, sie machen ihn stolz. „Ich bin kein Anhänger der Hamas“, beteuert er. „Aber zu sehen, wie Israelis in den Straßen Tel Avivs in Panik Deckung suchen, das ist ein tolles Gefühl. Endlich erfahren sie auch mal, was wir seit Jahren durchmachen.“ Palästinenser betrachteten in Gesprächen am Wochenende ausnahmslos die Hamas als großen Gewinner des neuen Schlagabtausches mit Israel: „Jeder hier steht jetzt hinter ihnen“, sagt der Journalist Muhammad Dawwas aus Gaza.

Israels Premier Netanjahu unerbittlich

Israels Premier Netajahu gab sich am Sonntag unerbittlich: Zwar würde er einem Waffenstillstand zustimmen, falls die Hamas bedingungslos ihr Feuer einstellte und sich verpflichtete, nicht wieder auf israelische Städte zu schießen, sagte er in Gesprächen mit Staatschefs aus aller Welt. Sollte sie das aber nicht tun, „ist unsere Armee dazu bereit, die Aktion weiter auszudehnen.“ Minister in seiner Regierung fordern den Einmarsch, um eine Entscheidung herbeizuführen.

Auch die Hamas hätte nichts ge­gen einen Waffenstillstand, nur knüpft sie daran Bedingungen: Premier Ismail Haniyah forderte internationale Garantien dafür, dass Israel in Gaza keine Präventivschläge mehr durchführt, und eine Erleichterung der Ausfuhrbeschränkungen aus dem belagerten Landstrich. Keiner der Beteiligten will also wirklich die Bodenoffensive. Sie zu verhindern, wurde am Wochenende Aufgabe des ägyptischen Präsidenten Muhammad Mursi. Deutschland und die USA drängten den ehemaligen ägyptischen Muslimbruder, seinen Einfluss auf die Hamas geltend zu machen. Als Präsident des bevölkerungsreichsten arabischen Staates, und als Nachbar mit einer Grenze zu Gaza, ist Mursi einer der wenigen, die Druck auf die Islamisten ausüben können. Gleichzeitig un­terhält sein Staat Beziehungen zu Israel.