Jerusalem. .
Nach Schusswechseln an der Grenze mit der Türkei, Libanon und Jordanien schwappt Syriens Bürgerkrieg jetzt auch über die Waffenstillstandslinie mit Israel. Sonntagmittag schlug eine syrische Granate neben einem Armeeposten auf den Golanhöhen ein. Israel reagierte mit dem Abfeuern einer Rakete: „Wir glauben, dass es keinen Personen- oder Sachschaden gab“, sagte Armeesprecher Brigadegeneral Yoav Mordechai abwiegelnd und hob damit den Gegensatz zum Gazastreifen hervor. Dort liefert Israel sich seit Jahren schwere Auseinandersetzungen mit radikalen Islamisten. Allein am Wochenende reagierte Israel mit schwerem Beschuss, weil eine Grenzpatrouille in einen palästinensischen Hinterhalt geraten war. Vier israelische Soldaten wurden zum Teil schwer verletzt. Bei dem anschließenden Beschuss des Gazastreifens kamen fünf Palästinenser ums Leben. Palästinensische Organisationen schossen ihrerseits rund 50 Raketen nach Israel. Dennoch dominierte am Sonntag die Nachricht über die eine Granate in den Golanhöhen die Nachrichten.
Denn bis vor kurzem galt der Golan als Israels sicherste Grenze. Seit dem Krieg von 1973 gab es hier keine Zwischenfälle. Doch seit einigen Tagen fliegen wieder Kugeln und Granaten über die Waffenstillstandslinie. Bisher beruhigten israelische Sprecher: Der Beschuss einer Grenzpatrouille oder eine Granate in einem grenznahen Dorf letzte Woche seien „unbeabsichtigt“ gewesen. Syrische Truppen hätten auf syrische Rebellen gezielt, die in der demilitarisierten Zone Schutz suchen. Doch am Sonntag übermittelte Verteidigungsminister Barak mit Hilfe der UNO Damaskus, nun werde jede Grenzverletzung geahndet.
Die Spannungen auf den Golanhöhen sind Beispiel der neuen Gefahr, die der arabische Frühling Israel bescherte: der Zusammenbruch von Zentralgewalten in seiner Nachbarschaft. Syrien ist zwar ein gefährlicher Gegner. Dennoch bewahrte der Diktator in Damaskus Ruhe. Er war ein berechenbarer Feind, den man abschrecken konnte.Doch jetzt droht dem Golan dasselbe Schicksal wie dem Badeort Eilat am Roten Meer. Nach dem Sturz des ägyptischen Diktators Mubarak im Januar 2011 entglitt Kairo die Kontrolle im Sinai. Islamisten, Drogenhändler und Schmuggler beherrschen heute Teile der Halbinsel, und nutzten sie als Ausgangsort für Attentate auf Israel. Israels Regierung sind die Hände gebunden. Ähnliches befürchtet man nun auch auf dem Golan: Man brauche jetzt „Nerven aus Stahl“, sagte der Minister für Zivilschutz Avi Dichter. Angesichts des Chaos’ jenseits der Grenze gebe es dort nämlich keinen Adressaten für abschreckende Maßnahmen.