Essen/Iserlohn. . Verbraucher lieben Produkte aus der Nachbarschaft, doch Experten streiten über eine Kennzeichnungspflicht für regionale erzeugte Lebensmittel. Die Nahrungsgewerkschaft NGG fordert nun einen solchen Herkunftsstempel. Was die Landesregierung begrüßt, sehen manche Erzeuger kritisch.

Brokkoli aus dem Sauerland, Kartoffeln aus Westfalen, Äpfel aus Bottrop-Kirchhellen – NRW ist reich an regionalen Leckereien. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert: Alle Lebensmittel sollten einen regionalen „Herkunfts-Stempel“ tragen, vom Apfelkraut bis zur Zucchini.

Bisher erkennt der Kunde meist nur, ob das Produkt aus Deutschland kommt. Aber er weiß nicht genau, woher. Schlimmer noch: Nicht einmal der Westfälische Knochenschinken muss ein richtiger Westfale sein. Jedenfalls noch nicht.

Verkeimte Tiefkühl-Erdbeeren

Die Gewerkschaft geht von einer großen Nachfrage nach örtlichen Lebensmitteln aus. „Die Zeit der anonymen Produkte ist abgelaufen“, behauptet Helge Adolphs, Chef der NGG-Region Südwestfalen. Der jüngste Lebensmittelskandal um krankmachende Tiefkühl-Erdbeeren aus China ist Wasser auf die Mühlen jener, die eine Kennzeichnungspflicht fordern. Regionales, so glauben sie, steht für Qualität, für kurze Transportwege und für sichere Arbeitsplätze vor Ort.

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Von Matthias Korfmann

Viele Bauern würden das unterschreiben. Aber längst nicht alle. Die Landwirtschaftskammer NRW ist mäßig begeistert von dem Vorstoß der Gewerkschafter. „Wir brauchen keine gesetzliche Kennzeichnungspflicht. Das kann der Markt ganz gut alleine regeln“, sagt Kammer-Sprecher Bernhard Rüb. Eine Vollversorgung der Bürger mit regionalen Lebensmitteln sei ohnehin nicht möglich. Und große Discounter scherten sich wenig um lokale Besonderheiten. „Die wollen austauschbare Produkte“, sagt Rüb. Da zähle nur die Menge und der Preis.

Nur eine Marketing-Masche?

Der Verein Foodwatch ist zwar grundsätzlich für Herkunfts-Stempel auf Lebensmitteln, sieht aber auch eine Gefahr in der Initiative der Gewerkschaft: „Nicht selten ist eine Herkunfts-Kennzeichnung nur eine Marketing-Masche. Oft geht es einfach nur darum, ein normales Produkt künstlich aufzuwerten und es teurer zu verkaufen.“ Herkunft ist also nicht immer gleich Qualität. Und die Frage sei erlaubt: Warum sollte eine Gurke aus Gütersloh besser sein als eine aus Gießen?

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Heinrich Drepper ist Gemüsebauer. Einer der erfolgreichsten in NRW. Der Iserlohner wirbt mit dem Spruch „Qualität und Frische aus dem Sauerland“. Drepper weiß: Verbraucher lieben Lebensmittel „von nebenan“. „Natürlich ist es sinnvoll, auf dem Produkt darauf hinzuweisen“, findet er. Doch es reiche wohl aus, auf dem Herkunfts-Stempel das Land NRW zu nennen. Denn die Produktionsbedingungen in den Regionen, zum Beispiel im Münster-, Sauer- oder Bergischen Land, seien sehr unterschiedlich. Im Übrigen hält Drepper natürlich die heimische Scholle hoch: „Brokkoli aus dem Sauerland wächst langsamer als der in Spanien, dafür hat er auch mehr Geschmack.“

Ministerium lobt die Initiative

Das NRW-Verbraucherschutzministerium lobt die Forderungen der NGG. „Wir stehen solchen Initiativen sehr offen gegenüber. Jedes regionale Siegel fördert den Absatz“, so ein Sprecher. In Düsseldorf prüfen Experten schon die Möglichkeit, ein eigenes „NRW-Siegel“ für Lebensmittel einzuführen. Das allerdings müsste mehr Informationen bieten als die über die Herkunft, heißt es. Im Idealfall könne der Kunde über ein solches Siegel auch erfahren, wie der Produzent arbeitet: wie er Tiere hält und wie umweltfreundlich Obst und Gemüse produziert wurden.

Der Westfälische Knochenschinken soll übrigens gute Chancen haben, bald „Spezialitätenschutz“ zu genießen. Das entsprechende EU-Zertifikat sei beantragt, so das Ministerium. Dieser Schinken muss dann durch und durch ein Westfale sein. Ähnlich geschützt sind schon die Schwäbische Maultasche, das Rheinische Zuckerrübenkraut und die Münchner Weißwurst.