Athen. Das griechische Parlament entscheidet an diesem Mittwoch über ein neues Sparpaket der Koalitionsregierung in Athen. Noch ist unklar, ob die neue Liste griechischer Grausamkeiten das Parlament passieren wird. Doch nicht nur das fürchtet die Regierung: Sie sorgt sich auch um die öffentliche Ordnung.
Griechenland steht still: Kurz vor der Parlamentsabstimmung über ein neues Sparpaket der Regierung in Athen sind Zehntausende Griechen in den Streik getreten. Allein in der Hauptstadt gingen am Dienstag 40.000 Menschen auf die Straße, in der Hafenstadt Thessaloniki waren es rund 20 000. Segnen die Abgeordneten das Sparprogramm ab, wird es wieder Arbeitnehmer und Rentner hart treffen: Die einen sollen länger arbeiten, den anderen werden die Bezüge bis zu 15 Prozent gekürzt.
Eigentlich wollte sich Vangelis Giotakis im kommenden Frühjahr zur Ruhe setzen. „Aber daraus wird nichts“, sagt der 64-jährige Athener. Er muss zwei Jahre länger arbeiten, bis er 67 ist. „Und dann bekomme ich auch noch weniger Rente“, klagt der Bankangestellte. Wie Giotakis geht es Hunderttausenden Griechen. Länger arbeiten für weniger Rente: „So will es das Sparpaket, über das die Abgeordneten des griechischen Parlaments am Mittwochabend abstimmen sollen. Ein Schicksalsvotum, von dessen Ausgang die Freigabe der nächsten Rate der Hilfskredite abhängt. Fällt das Paket im Parlament dagegen durch, drohen der Sturz der erst im Juni gebildeten Regierung und der Staatsbankrott.
Rentenalter steigt von 65 auf 67 – ohne Übergangsfristen
13,8 Milliarden Euro soll Griechenland in den kommenden beiden Jahren einsparen, so verlangt es die Troika, die Griechenlands Geldgeber vertritt. Und den größten Beitrag sollen ausgerechnet die Rentner leisten – wieder einmal. Dies ist bereits die vierte Rentenkürzung seit Beginn der Krise. „Die Einschnitte machen auf einen Zeitraum von fünf Jahren einen Betrag von 5,7 Milliarden aus, wovon 4,9 Milliarden auf das Jahr 2013 entfallen“, rechnet Finanzminister Giannis Stournaras vor. Alle Renten zwischen 1000 und 1500 Euro werden um fünf Prozent, Bezüge darüber um zehn bis 15 Prozent gekürzt. Bisher gezahlte Zulagen entfallen. Die Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre wird sofort umgesetzt, ohne Übergangsfristen. Davon sind im kommenden und im übernächsten Jahr 100.000 Menschen betroffen.
Umstritten sind auch die Reformen im Arbeits- und Tarifvertragsrecht, die Griechenland jetzt auf Drängen der Troika umsetzen muss. Die Splitterpartei Demokratische Linke (Dimar), der kleinste Partner der Dreiparteienkoalition, will deshalb dem Sparpaket nicht zustimmen. Zwar kann die Regierung das Paket auch ohne die Stimmen der 16 Dimar-Abgeordneten verabschieden. Aber auch in den anderen beiden Fraktionen könnte es Abweichler geben. Wenn das Spargesetz nur mit einer knappen Mehrheit durchkommt, wäre das kein gutes Signal an die Gläubiger.
Demonstrationen sind an der Tagesordnung
Die Abweichler sind aber nicht die einzigen, die vom Sparpaket wenig halten: Demonstrationen sind in Athen an der Tagesordnung, Geschäfte geschlossen. Bürgerwehren streifen durch die Viertel, um „aufzuräumen“, was die Polizei ihrer Ansicht nach nicht mehr fertigbringt. Rechtsextremisten schlagen Ausländer zusammen, Anarchisten verprügeln die rechten Schläger und Anwohner beschleicht je nachdem klammheimliche Freude. „Unsere Gesellschaft steht auf Messers Schneide“, mahnte der Minister für öffentliche Ordnung, Nikos Dendias, als streikende Werftarbeiter das Verteidigungsministerium stürmten. „Wenn wir uns nicht zusammenreißen können, dann werden wir am Ende zum Dschungel.“