Düsseldorf/London. . Verbraucher- und Datenschützer warnen vor besonders dreisten Telefonanbietern. So hat die “Billigvorwahl“ 010040 ihre Tarife verhundertfacht: von zwei Cent auf 1,99 Euro pro Minute. Auch Telefonica, Mutter des Mobilfunkunternehmens o2, sorgt für Aufregung: Sie planen, Nutzungsdaten ihrer Kunden zu verkaufen.

Wildwest-Methoden in der Telefonbranche: Verbraucher- und Datenschützer warnen vor besonders dreisten Anbietern. Die Verbraucherzentrale NRW rät Telefonkunden, die Billigvorwahl 010040 zu meiden. Der Anbieter hat seine Gebühren drastisch erhöht – von rund zwei Cent auf 1,99 Euro pro Minute. Bei den Verbraucherschützern häufen sich Beschwerden über die Hamburger Firma. Für Aufregung sorgt auch die Ankündigung des Mobilfunkanbieters O2, Bewegungsdaten der Kunden an Werbetreibende weiterzuverkaufen.

Die 010040 GmbH erhöhte ihre Preise quasi über Nacht. Gehörte die Vorwahl bislang zu den günstigen Angeboten am Markt, erlebten Kunden, die den Anbieter nach der Erhöhung nutzten, auf ihrer Telefonrechnung eine böse Überraschung. Die Hamburger Firma forderte über die Rechnung der Deutschen Telekom in Einzelfällen über 500 Euro für ihre Dienstleistungen. Offenbar sind nur Kunden der Telekom betroffen. Andere Festnetzanbieter schließen die Nutzung von Billigvorwahlen meist vertraglich aus, die Telekom als Marktführer ist aber verpflichtet, Drittanbieter zuzulassen.

Verbraucherzentrale spricht von Wucher

Die Verbraucherzentrale NRW spricht von Wucher und rät Geschädigten, die Rechnung sofort zu beanstanden und zu viel gezahlte Beträge wieder zurückzubuchen. „Der Anbieter hat offenbar auf die Gewohnheit der Telefonkunden gesetzt, die bislang mit der 010040 günstig telefoniert haben“, sagt Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale. Auch die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde hat sich bereits eingeschaltet und ermittelt wegen Rufnummern-Missbrauchs. „Wir prüfen das“, erklärte ein Sprecher.

Auch der Vorstoß des O2-Mutterkonzerns Telefónica, Bewegungsprofile seiner Kunden an Werbetreibende zu verkaufen, schlägt hohe Wellen. Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz, spricht von einem „gefährlichen Trend“. Telefónica ist nicht das erste Unternehmen, das aus den persönlichen Daten seiner Kunden Kapital schlagen will. Der US-Konzern Apple war schon früher wegen ähnlicher Praktiken kritisiert worden und ruderte zurück.

Wie O2 aus den Daten der Kunden Kapital schlagen will 

Der Vorstoß kam nicht zufällig: Pünktlich zum Börsengang des Telekommunikationsunternehmens „O2“, einer Tochter der spanischen Telefónica, wurde bekannt, dass O2 mehr Geld mit ihren Kunden machen will als diese selbst zahlen. O2 will Bewegungsprofile verkaufen, die mit persönlichen Angaben verknüpft sind. Die Börse war darüber entzückt, Datenschützer entsetzt.

Was soll verkauft werden?
Wer bei einem Mobilfunkanbieter einen Vertrag abschließt, muss Daten angeben. Name, Adresse, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und eine Ausweisnummer zur Identifizierung. Dazu kommen möglicherweise Daten, die O2 selbst erhebt, etwa eine Schufa-Auskunft. Um diese Daten geht es im Prinzip, auch wenn Name und exakter Wohnort nicht preisgegeben werden sollen.

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Wie soll das funktionieren?
Wer mit seinem Mobiltelefon oder Smartphone unterwegs ist, wählt sich ohne sein Zutun in einen oder mehrere Sendemasten ein, um eine Verbindung zu haben. Gerade in Großstädten, wo die Masten besonders dicht stehen, kann aus den Schnittmengen der angewählten Masten sehr genau den Standort und die Bewegung abgelesen werden. Bei Smartphones dient dies dazu, auch in geschlossenen Räumen ohne Kontakt zu GPS-Satelliten den Standort bei Ortungsdiensten zu berechnen.

Was ist die Geschäftsidee?
Standort und persönliche Daten kombiniert sind für die Wirtschaft interessant. In welchen Teilen der Stadt gehen Menschen einkaufen, die in Vierteln wohnen, in dem meist Besserverdienende leben? Oder: Bleiben vor meinem Schaufenster Frauen im Alter von 20 bis 40 stehen? Ein Ort, der fünfmal die Woche für acht Stunden aufgesucht wird, dürfte der Arbeitsplatz sein. Auch hier könnte interessieren, ob dies eine Bank oder eine Schlosserei ist.

Wie werden die Daten verkauft?
Zur Vermarktung hat Telefónica eine Tochter gegründet, die Telefónica Dynamic Insights mit Sitz in London. Das Produkt heißt „Smart Steps“, also „Schlaue Schritte“. Angeblich soll es in Deutschland erst verkauft werden, wenn alle Datenschutzbestimmungen überprüft sind.

Was machen die Käufer damit?
Sie stellen ihr Marketing darauf ein, schicken etwa in Stadtteile, aus denen viele Menschen in die Nähe ihres Geschäfts kommen, besonders viel Werbung. Oder sie kaufen etwa zusätzlich Adressdaten von Frauen, wenn sie erfahren, dass Frauen oft vor ihren Schaufenstern stehen bleiben.

Was sagen die Datenschützer?
Die sind alarmiert. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, geht davon aus, dass die Bildung von Bewegungsprofilen an Bedeutung gewinnen dürfte. Er nennt das Telefónica-Angebot einen „gefährlichen Trend“.

Gibt es noch mehr Unternehmen, die private Daten nutzen?
Jede Menge. Vor einigen Monaten kam Apple in Verruf, weil das Unternehmen Bewegungsprofile von Kunden, die sogar noch genauer per GPS-Ortung erhoben wurden, lange speicherte. Ursprünglich sollte dies technische Gründe haben, die Daten weckten aber schnell Begehrlichkeiten. Inzwischen werden diese Daten nur noch über einen kurzen Zeitraum gespeichert. Das Programm „Whats­App“ sendet kostenlose SMS, plündert aber die gesamte Adressdatei des Smartphones. Wozu? Das sagt der Anbieter nicht. Facebook sammelt alle Informationen, die der Nutzer freiwillig eingibt und nicht für eine weitere Nutzung sperrt. Damit werden persönliche Vorlieben analysiert und an Werbekunden verkauft. Google hat ein Programm entwickelt, dass sogar Gesichter erkennen und zuordnen kann. Dies darf aber im Moment nur aktiviert werden, wenn der Nutzer es ausdrücklich will.

Wie geht die Entwicklung weiter?
Google kann etwa die IP-Adresse des Nutzers auslesen, also jene Adresse im Netz, über die Computer oder Smartphones mit dem Internet verbunden sind. Zurzeit wechseln diese Adressen noch und lassen sich angeblich nur per richterlicher Anordnung zurückverfolgen. Im Moment stellt die Technik jedoch auf feste IP-Adressen um, das heißt, jedes Gerät und damit jeder Nutzer ist über lange Zeit im Netz verfolgbar. Wer dann noch mobiles Gerät und Heim-PC auf einen Nutzer zusammenführen kann, weiß schnell mehr über einen Menschen, als dessen beste Freunde.