Essen. . Die Integration bei türkeistämmigen Zuwanderern in NRW macht erhebliche Fortschritte. Das ist das Ergebnis der jüngsten Studie des Essener Zentrums für Türkeistudien, die NRW-Integrationsminister Schneider am Mittwoch vorgestellt hat. Die Bereitschaft zur Einbürgerung aber sei “bedenklich“ gering.

Spätestens in gut elf Jahren will die Türkei Mitglied der EU sein. Das hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch bei seinem Deutschland-Staatsbesuch gefordert. Wäre es so, könnte man mit Blick auf die jüngst veröffentlichte Studie zu türkischstämmigen Migranten in NRW spätestens im Jahr 2023 womöglich eine 'Einbürgerungs-Welle' erwarten. Denn nach wie vor sei die Bereitschaft hier lebender Menschen mit türkischen gering, die Integration in die hiesige Mehrheitsgesellschaft auch per Pass zu vollziehen. Überwiegend deshalb, weil sie dazu ihre türkische Staatsbürgerschaft aufgeben müssen und eben kaum wollen. Das ist ein Ergebnis einer Umfrage, die NRW-Integrationsminister Guntram Schneider am Mittwoch in Düsseldorf präsentierte.

Seit 1999 ermittelt die Studie die Befindlichkeit türkischstämmiger Zuwanderer in NRW. Jeweils einmal im Jahr befragt das in Essen sitzende Zentrum für Türkeistudien (ZfTI) eine knappe vierstellige Zahl von Migranten und stellt Fragen, die ein Bild vermitteln sollen, wie Türken hierzulande leben und fühlen, inwieweit sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben oder sich gar engagieren.

Die Mehrheit spricht sehr gut Deutsch

Die jüngste Umfrage unter der sperrigen Vokabel "Mehrthemenbefragung" macht vor allem positive Trends in Sachen Integration aus: „Es gibt erhebliche Integrationsfortschritte im Generationenvergleich der türkeistämmigen Zuwanderinnen und Zuwanderer. In der 2. Generation verstehen 86 Prozent, in der 3. Generation sogar 99 Prozent gut oder sehr gut Deutsch. Hier geborene oder aufgewachsene Migrantinnen und Migranten partizipieren in allen Bereichen deutlich stärker als die erste Generation“, erklärte Guntram Schneider. Die Studie entpuppe die "unreflektierte Rede über eine gescheiterte Integration" deshalb als Klischee, dem "entschieden entgegen getreten werden“ müsse, forderte der Minister.

Insbesondere im Bereich der Schul- und Berufs-Bildung hole die dritte Generation der hier lebenden Türken und -innen auf. „Mehr als die Hälfte erwirbt einen höheren Bildungsabschluss als die Elterngeneration“, erklärt Prof. Haci-Halil Uslucan, der Chef des Essener ZfTI. Allerdings weist die jüngste Studie nach wie vor auf die Defizite in dem Bereich hin: Kinder von Höhergebildeten erreichten eher einen höheren Schul-Abschluss als Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern. Dort sei der Anteil ohne berufliche Ausbildung auch in den Nachfolgegenerationen "nach wie vor zu hoch".

Geringe Rückkehrneigung bei Hochqualifzierten

War die Integrations-Debatte vor zwei Jahren noch stark von den umstrittenen Thesen des früheren Berliner Finanzsenators und Bundesbankers Thilo Sarrazin in dessen Buch "Deutschland schafft sich ab" beeinflusst, haben sich die Wogen offenbar geglättet. Mit der Folge, dass nur wenige der Zuwanderer ihre berufliche Perspektive in der Türkei suchen wollten: "Die Daten zeigen, dass die Rückkehrneigung bei Hochqualifizierten zurzeit nicht weiter zunimmt", erklärt ZfTI-Chef Prof. Uslucan. "In der Vergangenheit hatte mehr als ein Drittel der türkischstämmigen Hochschulabsolventinnen und -absolventen diese Rückkehrneigung in Umfragen gezeigt. Uslucan: „Der Abwanderungstrend im großen Stil blieb aber aus“.

Hier sein und sich hier einbürgern hat bei hier lebenden Türken aber nach wie vor Grenzen. Gründe dafür bilden sich wohl aus einem Gemisch aus Heimatliebe und Bürokratie. Schneider jedenfalls sieht es als "bedenklich", dass nur wenige der türkischstämmigen Migranten in NRW sich auch in Deutschland einbürgern lassen wollten. Er macht dafür vor allem das Staatsangehörigkeitsgesetz aus: "Es kann nicht angehen, dass bei der Hälfte der Einbürgerungen vor allem der EU-Migranten, die Doppelstaatsbürgerschaft hingenommen wird, bei der Einbürgerung Türkeistämmiger aber nicht." Die rot-grüne Landesregierung setze sich deshalb im Bundesrat "für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit ein“, erklärte der Minister. Er kündigte zudem eine "Einbürgerungsoffensive" an, die im Jahr 2013 starten soll. Schneiders Fazit: „Wer hier dauerhaft lebt, sollte auch die vollen Bürgerrechte genießen". Denn: "Wir brauchen diese Menschen". (dae/WE)