Essen. . Fußballclubs in NRW tun zu wenig gegen gewalttätige Fans und vernachlässigen die Sicherheitsarbeit. Diese Vorwürfe wurden im Landtags laut. Innenminister Jäger drohte den Vereinen indirekt damit, sie an den Kosten des Polizeieinsatzes zu beteiligen. Schalke 04 und BVB halten das für “Populismus“.
Fußball-Proficlubs in NRW unternehmen zu wenig gegen gewalttätige Fans und vernachlässigen die Sicherheitsarbeit. Diese Vorwürfe wurden gestern im Innenausschuss des Landtags laut. Innenminister Ralf Jäger (SPD) drohte den Vereinen indirekt damit, sie künftig notfalls an den Kosten des massiven Polizeieinsatzes zu beteiligen. Dies hatte er bisher stets abgelehnt. Rechtsstaat und Polizei könnten die negative Entwicklung „nicht mehr hinnehmen“, sagte er.
Ausgangspunkt der Kritik waren die Krawalle beim Revierderby Borussia Dortmund gegen Schalke 04. Jäger forderte beide Vereine auf, Chaoten die „Rote Karte“ zu zeigen. In Dortmund waren am Samstag 180 Anhänger in Gewahrsam genommen und zwölf Personen verletzt worden, darunter neun Polizeibeamte. Bundesweit gab es seit Saisonbeginn in den oberen drei Fußball-Ligen bereits 92 Fälle von Gewalt gegen Polizisten und Ordner.
Jäger: Defizite der Vereine können nicht Aufgabe der Polizei sein
Er habe den Eindruck, dass nicht alle Verantwortlichen in den Clubs zwischen friedlichen Ultras und Straftätern „eine klare Linie ziehen“, sagte Jäger. Es sei „nicht Aufgabe der Polizei, Defizite in den Sicherheitskonzepten der Vereine durch Personal und polizeiliche Maßnahmen auszugleichen“. Wenn die Bereitschafts-Hundertschaften in NRW 30 Prozent ihrer Einsatzzeit zur Sicherung von Fußballspielen aufwenden müssten, „dann ist mir das zu viel“.
Der Innenminister drängte die Vereine, sie sollten Stadionverbote gegen Gewalttäter „nicht nur aussprechen, sondern auch umsetzen“. Fußball-Verbände wie der DFB und die DFL müssten mehr Geld aus TV-Einnahmen in die Prävention von Gewalt und Rassismus investieren.
Millionen für neue Spieler - zuwenig Geld für die Fanarbeit
Auch aus den Reihen der Fraktionen wurden Konsequenzen gefordert. SPD, CDU und Grüne verlangten, die Vereine stärker in die Verantwortung zu nehmen. Es könne nicht sein, dass sie hohe Millionen-Summen für Spieler ausgeben, aber bei der Fanarbeit sparen, so Verena Schäffer (Grüne). Robert Orth (FDP) forderte darüber hinaus Meldeauflagen für Hooligans.
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Die Ruhrgebiets-Vereine reagierten gereizt auf den Vorstoß Jägers. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke erklärte, der SPD-Politiker solle „nicht ständig auf der Populismuswelle surfen“. Und auch Schalkes Geschäftsführer Peter Peters mahnte: „Populistische Forderungen helfen in dieser Frage nicht weiter.“
BVB-Geschäftsführer Watzke wirft dem Minister Populismus vor
Schwarzgelb und Königsblau stehen für größtmögliche sportliche Rivalität. Auf die Kritik von Ralf Jäger, dem Innenminister von Nordrhein-Westfalen, aber reagierten die Vereinsoberen von Borussia Dortmund und des FC Schalke 04 in kaum zu übertreffender Einmütigkeit. Hans-Joachim Watzke, BVB-Geschäftsführer, nahm Jäger ins Visier und erklärte auf Anfrage, dass der SPD-Politiker „nicht ständig auf der Populismuswelle surfen“ solle: „Das ist schwach.“ Schalkes Geschäftsführer Peter Peters, der auch als Vizepräsident der Deutschen Fußball-Liga fungiert, wählte im Gespräch mit dieser Zeitung fast die gleichen Worte: „Populistische Forderungen helfen in dieser Frage nicht weiter.“
Chance vergeben
Der Vorstellung Jägers, Profivereine möglicherweise an den Kosten von Polizeieinsätzen zu beteiligen, entgegnete Peters: „Das Gewaltmonopol des Staates wird durch Steuergelder finanziert. Und der Fußball leistet mit enormen Steuerzahlungen bereits einen hohen Beitrag. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Forderung nach Kostenübernahme auch für das Oktoberfest übernommen wird.“ Investitionen in Sicherheit gewährleistende Maßnahmen würden von den Klubs allerdings vorgenommen. Watzke verwies darauf, dass der BVB gerade 400 000 Euro für eine neue Videoüberwachungsanlage ausgegeben habe: „Grundsätzlich aber ist es richtig, dass wir noch mehr investieren müssen. Und das tun wir als Borussia Dortmund auch.“
Was auf den Anfahrtswegen passiert, fällt nicht in die Zuständigkeit der Vereine
Den Jäger-Vorwurf, dass die Vereine die Trennlinie zwischen friedlichen Ultra-Fans und Straftätern nicht ziehen könnten, wollen die Vereine nicht hinnehmen. „Bei uns wird jedes Stadionverbot umgesetzt“, sagte Watzke. Sein Geschäftsführer-Kollege Peters verwies darauf, dass man „unterscheiden muss zwischen dem, was im Stadion passiert, und das ist vergleichsweise wenig, und dem, was sich auf den Anfahrtswegen ereignet. Da ist die Verantwortung und die Zuständigkeit der Vereine begrenzt“.
Peters wie auch Watzke sehen durch den Vorstoß des NRW-Innenministers die Chance vergeben, die Vorfälle beim Revierderby sachlich aufzuarbeiten und „intern“ (Watzke) und „gemeinsam“ (Peters) zu diskutieren und Lösungen zu finden. „Wir müssen diese Zunahme von Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem betrachten“, so der Geschäftsführer des BVB: „Und Fußball ist ein Spiegel der gesamtgesellschaftlichen Probleme.“