Berlin. Zum ersten Mal seit seiner Kandidatur zum Bundeskanzler hat sich Peer Steinbrück (CDU) zur Griechenland-Krise geäußert. Er hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeworfen, ihre Europapolitik sei zu einseitig und halbherzig. Auch aus den anderen Fraktionen erntete Merkel vor dem EU-Gipfel Kritik.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Halbherzigkeit und Einseitigkeit in der Europapolitik vorgeworfen. Merkels Entscheidungen seien geprägt vom "Phänomen der Verspätung", sagte Steinbrück am Donnerstag. Zudem habe Merkel das Ansehen des Landes bei den Nachbarn beschädigt.
Es war Steinbrücks erste Replik auf Merkel im Bundestag als Kanzlerkandidat seiner Partei. Er forderte die Bundesregierung zu mehr Solidarität in Europa auf. Es dürfe "keine Anstrengung zu groß sein", um Europa zu bewahren, sagte Steinbrück. "Kleinmut würde dem nicht gerecht." Dies werde aber auch die Bundesbürger etwas kosten. "Das endlich den Bürgern zu sagen, ist Ihre Pflicht, Frau Bundeskanzlerin", sagte der SPD-Politiker.
Steinbrück erwartet mehr Wachstumsimpulse für Griechenland
Steinbrück warf der Bundesregierung vor, bei ihrer Krisenreaktion zu sehr auf die Sanierung der Haushalte und zu wenig auf Wachstumsimpulse zu setzen. Es sei eine "Fehleinschätzung", die Krise allein auf zu hohe Verschuldung zurückzuführen. Auf diese einseitige Analyse sei eine einseitige Therapie gefolgt nach dem Motto: "Sparen, sparen, sparen."
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Er sei überzeugt, dass das finanziell und wirtschaftlich angeschlagene Griechenland erneut Unterstützung brauchen und - auch von Deutschland - bekommen werde. Er warf ihr zudem vor, immer nur mit langer Verzögerung auf die Entwicklungen in Europa zu reagieren. "Sie sind nicht originell", rief er der Regierungschefin zu, "Sie hinken hinterher". Mehrere Vorschläge, die Merkel in ihrer Rede angesprochen habe, hätten die Sozialdemokraten schon vor zwei Jahren vorgelegt.
Merkel hätte Griechenland-"Mobbing" nicht zulassen dürfen
"Selten war Deutschland in Europa so isoliert wie heute", sagte er am Donnerstag im Bundestag. Über Monate habe Merkel das "Mobbing" diverser Koalitionspolitiker gegen Griechenland zugelassen. Kein frühere Bundeskanzler hätte so etwas jemals getan, sagte Steinbrück.
Steinbrück soll im Dezember offiziell von einem SPD-Sonderparteitag zum Kanzlerkandidaten seiner Partei und damit zum Herausforderer Merkels bei der Bundestagswahl im nächsten Herbst gekürt werden. Merkel gab am Donnerstag eine Regierungserklärung zum EU-Gipfel in Brüssel ab, der am späten Nachmittag beginnt.
Merkels Euro-Kurs erntet ist auch in den eigenen Reihen umstritten
Angela Merkel selbst unterstützte im Bundestag die Idee des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy, einen neuen Fonds für die Eurozone zu schaffen. Aus diesem Topf könnten die Euroländer zeitlich befristet und "projektbezogen" Mittel in Anspruch nehmen, etwa zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums, sagte Merkel. Gespeist werden solle der Fonds zum Beispiel aus der geplanten Finanztransaktionssteuer.
FDP und CSU zeigten sich deutlich weniger begeistert als Merkel. CSU-Landesgruppenchefin Gerad Hasselfeldt nannte eine Diskussion über die Weiterentwicklung Europas notwendig. Entscheidend sei aber, ob die Ideen tatsächlich dazu führten, dass die gemeinsamen Stabilitätskriterien besser eingehalten werden. Daran seien alle Vorschläge zu messen, sagte Hasselfeldt.
Gysi: Bundesregierung setzt in Griechenland "Geld in den Sand"
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle urteilte, das vorgeschlagene Eurozonen-Budget könne durchaus nützlich sein. Auf keinen Fall werde es von den Liberalen aber Hilfe für einen europäischen Finanzminister geben.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf der Regierung vor, nur "wilde und unabgestimmte Vorschläge" vorzulegen. Dazu gehöre der von Merkel befürwortete "Supermann, ein Superkommissar" zur Kontrolle der Haushaltsdisziplin. "Und wer sucht ihn dann aus?", fragte Künast. Das Mindeste sei, dass ein solcher Kontrolleur vom Europäischen Parlament gewählt werde. Insgesamt sei die Kanzlerin "wieder zu spät dran", urteilte Künast.
Noch weiter ging die Kritik von Linksfraktionschef Gregor. Athen werde zu derart rigiden Sparmaßnahmen gezwungen, dass die Wirtschaft weiter einbreche und die Rückzahlung der Kredite immer unwahrscheinlicher werde, analysierte er. So werde das Geld "in den Sand gesetzt". Die Bundesregierung begehe daher "eine schwere Untreue zum Nachteil der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler". (dapd/afp)